Nach einer unfreiwillig längeren Auszeit sind die kalifornischen Hardcore-Punk-Allstars von Off! unter neuer Besetzung wieder aktiv. Am 5. August spielen sie ihre einzige Österreich-Show in der Wiener Arena. Frontmann Keith Morris und Drummer Justin Brown standen uns im Vorfeld Rede und Antwort.
All-Star-Bands gibt es nicht nur im kommerziell hoch gelegenen Bereich, wie etwa die Hollywood Vampires oder die legendären Traveling Wilburys. Zu den besten und spannendsten zählen seit mittlerweile 14 Jahren Off! Die Hardcore-Punk-Band aus Los Angeles wird angeführt von Gitarrist Dimitri Coats und Frontmann Keith Morris, einer absoluten Szenelegende. Der 67-Jährige war gemeinsam mit Greg Ginn Ende der 70er-Jahre Gründungsmitglied von Black Flag, der vielleicht legendärsten Hardcore-Band aller Zeiten, die erst später mit Henry Rollins so richtig durchstarten sollte. Morris war da längst bei den Circle Jerks, die in Sachen Kultfaktor auch nicht sonderlich weit zurückliegen. Als Coats einst ein nie veröffentlichtes Circle Jerks-Album produzierte, schrieb er mit Morris ein paar Songs. Man holte sich Melvins-Bassist Steven Shane McDonald und Drummer Mario Rubalcaba an Bord, spielte 2010 beim renommierten South By Southwest Festival in Austin ein erstes Konzert und machte einfach weiter.
Gräben taten sich auf
Vier EPs und zwei Alben später war 2014 aber die Luft raus und von der feurigen Truppe, die 70er-Punk mit frühem 80er-Jahre-Westküsten-Hardcore vermischte, hörte man jahrelang nichts mehr. Gitarrist Coats war mehrmals kurz davor, endgültig den Hut draufzuhauen und konnte nur doch Morris‘ Beharrlichkeit überredet werden, das Projekt nicht endgültig zu Grabe zu tragen. „Steven und Mario hatten kein Herz mehr für die Band und Dimitri hat das genervt“, erzählt Szene-Legende Morris im „Krone“-Interview, „die beiden Jungs hatten jeweils gefühlt sieben andere Projekte am Laufen und sie alle über Off! gestellt. Immer dann, wenn wir uns was ausmachten, hatten sie plötzlich keine Zeit oder sagten kurzfristig ab. Einer musste auf einmal seine Kinder von der Schule holen, der andere irgendetwas in San Valley aufnehmen. So konnte es nicht weitergehen.“
Morris und Coats arbeiteten zwei Jahre lang zu zweit am aktuellen Album „Free LSD“, das letzten Herbst erschien. „Wir haben so hart gearbeitet, damit die anderen woanders ihren Lebensunterhalt verdienen und ihre Hypotheken abbezahlten konnten. Als wir wieder richtig loslegen wollten, waren sie nicht bereit und dann wäre die Band fast implodiert.“ Schweren Herzens und im Unfrieden trennte man sich und fand glücklicherweise schnell Ersatz. Vor knapp zwei Jahren verpflichtete man Autry Fulbright II als Bassist und niemand Geringeren als Justin Brown am Schlagzeug. Der ist hauptberuflich mit Top-Bassist und Instrumentalwunder Thundercat unterwegs und musste seinen Zeitplan dementsprechend neu adaptieren. Das stumpfe Hardcore-Drumming ist mit dem jazzigen Spiel in seinem Hauptjob nicht zu vergleichen, aber das interessiert Brown auch gar nicht.
Wichtig ist das Menschliche
„Ich spiele mit Keith Morris gemeinsam in einer Band, einer verdammten Legende. Wer könnte da nein sagen? Black Flags erste EP ,Nervous Breakdown‘ hat Musikgeschichte geschrieben. Ich fühle mich geehrt, Teil dieser Truppe zu sein.“ Auch Morris ist voll des Lobes über seinen jungen und relativ neuen Kollegen. „Wenn wir uns jetzt alle treffen und gemeinsam musizieren, passiert etwas Großartiges. Justin ist ein Naturtalent und braucht nicht viel zu proben. Er treibt uns an und wir müssen zusehen, ihm folgen zu können. Die Dynamik in dieser Band ist jetzt mit früher überhaupt nicht mehr vergleichbar.“ Wichtig waren Morris und Coats vor allem die musikalischen Fertigkeiten. „Auf Tour muss man sich aufeinander verlassen können. Wir wollten keinen pseudocoolen Typen, sondern jemanden, der wirklich gut zu uns passt.“
Auf „Free LSD“ hämmert das juvenile Quartett nicht weniger als 20 Songs in unter 40 Minuten runter. Ein Fiebertraum voller Science-Fiction-Anklänge, schrägem Humor und Drogenverherrlichung. Der aufgrund einer Diabetes-Erkrankung bereits seit den 80er-Jahren trockene Morris greift immer wieder mal gerne zu einem Sportzigaretterl. Mit dem neuen Line-Up haben Off! Blut geleckt und sind bereits das zweite Mal in diesem Jahr auf Europatour. Auch Gitarrist Dimitri Coats hat durch die Neuzugänge wieder die alte Motivation gepackt. Dass die Band nach den Querelen der letzten Jahre ein solches Happy End feierte, hätte man noch nicht einmal mehr intern so erwartet. „Wir sind endlich wieder da, stärker als zuvor“, sagt Morris bestimmt, „und wir wissen auch, wo wir im Leben stehen. Wir geben nicht vor, eine Punkrock-Band zu sein, die auf die Regierung scheißt, sondern leben nach unseren eigenen Regeln und tun, was wir für richtig halten. Nur so kann es mit Off! weitergehen.“
Liebe zum Trash
Ausgehend vom aktuellen Album „Free LSD“ arbeiten Off! auch seit geraumer Zeit an einem abgedrehten Filmprojekt mit dem Namen „Watermelon“, dessen Handlung ganz speziell klingt. Über ein Science-Fiction-Konzept wird darin erklärt, warum dieses Album für die Welt so wichtig ist. Die Musiker existieren darin in zwei verschiedenen Dimensionen. In einer als Off!, in der anderen kennt man sich gegenseitig gar nicht und übt auch nicht die Profession als Musiker aus. Später kommen Aliens ins Spiel und es obliegt Morris und Co. mit „Free LSD“, die Menschheit vor dem Untergang zu bewahren. Trash der allerfeinsten oder auch allerübelsten Sorte. Je nachdem, wie man dem Genre an sich gegenübersteht. Wichtig ist, dass auch dort die Chemie passt. „Die Energie in der Band passt einfach, das spüren wir bei jedem gemeinsamen Projekt.“
Live in der Wiener Arena
Am 5. August spielen Off! ihre einzige Österreich-Show in der Wiener Arena. Unter www.arena.co.at gibt es noch Karten und alle weiteren Informationen für das sommerliche Konzerthighlight in der großen Halle. Diese Hardcore-Punk-Legendenschau sollte man keinesfalls verpassen!
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