Prozess gegen Arzt

Anklage schockt mit Todesfoto von Michael Jackson

Adabei
28.09.2011 10:47
Mit einem Schockeffekt ging die Anklage im Prozess gegen Michael Jacksons Leibarzt gleich zur Sache. Im dunklen Gerichtssaal leuchtete ein Foto des Popstars auf, knochig, bleich und leblos liegt er darauf auf der Krankenbahre. Durch "grobe Fahrlässigkeit" sei Jackson von Conrad Murray getötet worden, hämmerte Staatsanwalt David Walgren den zwölf Geschworenen in seinem Eröffnungsplädoyer am Dienstag immer wieder ein.

Dann klang die verzerrte, fast lallende Stimme des Verstorbenen durch den Saal. Walgren spielte eine Aufnahme ab, in der Jackson - sechs Wochen vor seinem Tod - über sein geplantes Konzert-Comeback sprach, und die oben im Video zu hören ist. Die Leute sollen nach der Show sagen können, er sei "der größte Entertainer der Welt", stammelte der Sänger. Für Walgren der Beweis dafür, dass Jackson irgendwelche Mittel eingenommen hatte. Murray habe seinen Patienten mit Narkose- und Schlafmitteln wochenlang regelrecht zu Tode betäubt, wetterte der Ankläger.

Mehr als zwei Jahre nach dem Tod von Michael Jackson und nach zweifacher Verschiebung nahm der Prozess nun seinen Beginn. Bei seinem Auftakt-Plädoyer ließ Staatsanwalt Walgren keinen Zweifel daran, dass er sein Ziel - eine Verurteilung Murrays - mit allen Mitteln durchbringen will. Dem Todesfoto des "King of Pop" stellte er eine nur wenige Stunden ältere Aufnahme entgegen, die den Star quicklebendig bei einer Probe für seine geplante Tournee zeigt. "Was geschah in den zwölf Stunden, die zwischen diesen beiden Fotos liegen?", fragte er rhetorisch die Jury.

Nach Walgrens Überzeugung ist das laienhafte Handeln Murrays für Jacksons Tod verantwortlich. Der Arzt bestreitet jedoch, dem "King of Pop" die tödliche Dosis verabreicht zu haben. Mysteriös: Auf der entsprechenden Propofol-Packung sind weder Murrays noch Jacksons Fingerabdrücke zu finden, lediglich die Spuren eines unbekannten Dritten ließen sich sichern. Sollte Murray trotzdem verurteilt werden, drohen dem 58-Jährigen bis zu vier Jahre Haft wegen fahrlässiger Tötung.

Fans sehen in Arzt "Tier" und "Monster"
Ebenso wie der Staatsanwalt haben die Fans trotz der unklaren Faktenlage keinen Zweifel an der Schuld des Leibarztes. Kurz vor dem Prozessauftakt forderten aufgebrachte Jackson-Anhänger vor dem Gericht Gerechtigkeit für ihr verstorbenes Idol. Rund 300 Menschen harrten seit dem frühen Morgen vor dem Gebäude aus. Viele standen Schlange, um einen der sechs für Zuschauer reservierten Plätze zu ergattern. Sie hielten Plakate hoch, auf denen Murray als "Tier" und "Monster" beschimpft wurde. Eine Gruppe von Jackson-Fans betete dafür, dass die Wahrheit über den Tod des "King of Pop" herauskommen möge.

Zum Prozessauftakt war auch die Familie des verstorbenen Popstars erschienen. Seine Schwester Janet kam in einem schwarzen Kleid gemeinsam mit Bruder Randy (siehe weitere Bilder), Schwester La Toya hielt eine Sonnenblume in der Hand. Auch Jacksons Eltern Katherine und Joe bahnten sich ihren Weg an Fans und Schaulustigen vorbei ins Gerichtsgebäude.

Murray-Anwälte: Überdosis selbst verabreicht
Murrays Anwälte wollen in dem Prozess zeigen, dass Jackson unter dem Druck der bevorstehenden Konzerte schon Monate vor seinem Tod körperlich und psychisch schwer angeschlagen war. Sie halten es für möglich, dass sich der unter Schlafstörungen leidende Popstar die Überdosis des Medikaments selbst verabreicht habe, als Murray nicht im Raum war.

Diese Mixtur habe einen "perfekten Sturm in seinem Körper, der ihn sofort tötete" ausgelöst, sagte Verteidiger Ed Chernoff. Seiner Beschreibung nach stand Jackson vor Beginn seiner geplanten Konzertreihe in London unter großem Erfolgsdruck.

Allerdings lehnte das Gericht bereits mehrere ehemalige Ärzte Jacksons als Zeugen ab, mit deren Aussagen die Verteidigung die Medikamentenabhängigkeit des Popstars nachweisen wollte. Kurz vor Prozessbeginn wies Richter Michael Pastor auch ein weiteres von der Verteidigung vorgelegtes Beweismittel ab: Die Videoaufnahmen einer chaotischen Pressekonferenz vier Monate vor dem Tod Jacksons seien für das Verfahren nicht relevant, befand Pastor am Montagabend.

Als erster Zeuge im Prozess gab Regisseur Kenny Ortega zu Protokoll, dass Jackson wenige Tage vor seinem Tod bei Konzertproben schwach und unsicher war. Er habe sich um Jacksons Gesundheit große Sorgen gemacht, sagte Ortega, der für die geplante "This Is It"-Tournee des Sängers verantwortlich war.

Geschworene bezeichnen sich als Jackson-Fans
Der Prozess dürfte eines der größten Medienereignisse des Jahres werden. Das voraussichtlich fünf Wochen dauernde Verfahren wird im Fernsehen und Internet übertragen. Der Prozess sollte ursprünglich im März beginnen, wurde dann aber zwei Mal verschoben.

In der vergangenen Woche wurden schlussendlich die fünf Frauen und sieben Männer im Alter von 32 bis 57 Jahren ausgewählt, die über Murray richten sollen. Unter den Geschworenen, die anonym bleiben, sind nach Justizangaben sechs Weiße, fünf Amerikaner hispanischer Herkunft und ein Afroamerikaner. Ihr Bildungsniveau reicht vom einfachen High-School-Abschluss bis zum Master. Die Hälfte der Geschworenen habe sich als Jackson-Fans bezeichnet, hieß es.

Die Anklage führt Staatsanwalt Walgren, der als treibende Kraft hinter der geforderten Auslieferung von Regisseur Roman Polanski aus der Schweiz in die USA Schlagzeilen gemacht hatte. Murray wird von den Anwälten Ed Chernoff und Michael Flanagan vertreten. Flanagan hat den bisher einzigen Fall in Los Angeles gewonnen, bei dem es zu einer Anklage wegen eines Todes durch Propofol gekommen war. 2004 erwirkte er einen Freispruch für eine Krankenschwester, unter deren Aufsicht ein Krebspatient nach einer Propofol-Spritze gestorben war.

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(Bild: kmm)



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