In inklusiven Wohngemeinschaften leben Studenten gratis, dafür assistieren sie ihren Mitbewohnern mit Behinderung im Alltag. So läuft das Leben in den bunten WGs in Graz ab.
Boden wischen: Das ist die einzige Aufgabe, für die Lukas Schuster Hilfe benötigt. Der 29-Jährige sitzt im Rollstuhl und wohnt seit zehn Jahren in einer inklusiven WG des Unternehmens Alpha Nova. Vor vier Jahren kam auch seine Freundin, Jana Fischer (22), dazu. „Man kann hier selbst seinen Alltag bestimmen“, erklärt Schuster. „Aber natürlich gibt es Herausforderungen. Es kann zum Beispiel sein, dass das Wohnzimmer nicht aufgeräumt ist, wenn jemand zu Besuch kommt.“ So wie in jeder anderen WG.
Wohnung musste teils umgebaut werden
Einige Unterschiede gibt es für Schuster und Fischer aber doch. Die Küche, in welcher der Rollstuhlfahrer seine Partnerin gerne mit Spaghetti mit Fleischsauce bekocht, musste umgebaut werden. „Die Regale sind niedriger, und man braucht Platz, um mit dem Rolli überall hinzukommen“, erklärt Fischer. Die Eingangstür geht automatisch auf, eine Rampe führt zum Lift, die Dusche ist barrierefrei. „Und die Lage ist sehr wichtig. Je zentraler, desto leichter kommt man mit dem Rolli überall hin.“
Acht Zimmer sind für Studierende frei
Leider sind derartige Wohnungen in Graz „Mangelware“, sagt Anita Wasner, die das Projekt koordiniert hat. Laut dem steirischen Baugesetz müssen Neubauten so gestaltet sein, dass man mit dem Rollstuhl bis zur Wohnungstür kommt. Drinnen muss allerdings nur sicher sein, dass die Wohnung leicht umgebaut werden kann. Umso wichtiger sind die inklusiven Wohngemeinschaften. „Es gibt sie seit fast 20 Jahren. Begonnen hat alles mit einer Mutter, die für ihren Sohn einen Mitbewohner gesucht hat.“
Obwohl die Teuerung so hoch ist, stehen derzeit acht Zimmer für Studierende frei. „Vor Corona waren wir fast immer voll. Nun scheint die Hürde größer zu sein.“ Dabei wohnen die Studenten gratis. Sie finanzieren ihren Teil der Miete über acht bis zwölf Stunden Assistenzleistungen in der Woche. Das kann gemeinsames Kochen und Hilfe im Haushalt genauso sein wie ein Ausflug. Bezahlt werden sie über das persönliche Budget, eine Leistung aus dem steirischen Behindertengesetz.
Eine spezielle Ausbildung oder Erfahrung im Sozialbereich brauchen die Mitbewohner nicht. „Wir achten darauf, wie sozial eine Person und wie ihr Umgang mit anderen ist. Wie verstehen sich die Bewohner? Im Gespräch merkt man dann schnell, ob es passt oder nicht“, sagt Wasner. Ein Strafregisterauszug und eine Bewerbung sind notwendig.
Mit offeneren Augen durch die Welt
Gleich gepasst hat die inklusive WG für Djeneba Touré. Die 26-jährige Studentin wohnt seit drei Monaten so. „Ich helfe vor allem beim Putzen und beim Kochen“, sagt sie, „aber wir machen zusammen auch Spieleabende und Freizeitaktivitäten“.
Mir war früher nie bewusst, wie schwer man sich mit einem Rollstuhl durch eine Tür kommt.
Djeneba Touré, Mitbewohnerin
Erfahrung in der Arbeit mit Menschen mit Behinderung hat Touré nicht. „Ich war auf der Suche nach einer WG, und das hat einfach super gepasst.“ Seitdem geht die Grazerin mit offeneren Augen durch die Welt. „Mir war früher nie bewusst, wie schwer man sich mit einem Rollstuhl durch eine Tür kommt.“
Ich würde das auf jeden Fall weiterempfehlen. Man lernt viel über sich selbst und macht etwas Soziales.
Valentin Hauer, Mitbewohner
Auch für den 33-jährigen Valentin Hauer, der Software-Engineering studiert, ist die inklusive WG die richtige Lösung. „Wir haben uns gleich verstanden“, sagt er. „Mir gefällt, dass es ein Gemeinschaftsleben gibt.“ Hauer und Touré sind sich einig, wie sie sagt: „Ich würde das auf jeden Fall weiterempfehlen. Man lernt viel über sich selbst und macht etwas Soziales.“
Kontakt via iwg@alphanova.at
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