Aktives Jugendtheater

Volksbühne Langkampfen: Koffer der Adele Kurzweil

20.09.2022 19:00

Fernab von bäuerlichen Schwänken oder anderweitigen Schenkelklopfern bewegt sich derzeit die Volksbühne Langkampfen. Das integrierte Jugendtheater wagt sich unter der Regie von Sebastian Luchner an ein forderndes zeithistorisches Drama rund um eine jüdische Familie.

Im Jahr 1994 wurden am Dachboden der Polizeistation des rund 900 Einwohner zählenden französischen Dorfes Auvillar einige Koffer gefunden. Diese jahrzehntelang unbemerkte Hinterlassenschaft birgt eine Gänsehaut erzeugende Geschichte in sich. Die Koffer gehörten der jüdischen Familie Kurzweil aus Graz, die 1938 aus der damaligen „Ostmark“ die Flucht antrat. Um dann, bevor sie ihre Weiterreise in die USA organisieren konnte, im Zuge der im August 1942 in Frankreich durchgeführten Hatz auf Juden nach ihrer Verhaftung in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert wurde.

Du kannst in einer Gesellschaft alles vollkommen richtig machen, aber wenn sich die Gesellschaft ändert, bist du auf einen Schlag der Staatsfeind. Deshalb ist es wichtig, politisch zu sein – und gegebenenfalls auch dem Mob Einhalt zu bieten.

Manfred Theisen, Schriftsteller, Medienjournalist und Politologe

Auf den Spuren einer Familie in Südfrankreich
Dies wurde dem bekannten deutschen Schriftsteller und Journalisten Manfred Theisen vor einigen Jahren an der Universität Tübingen erzählt. Der betreffende Universitätsdozent trat danach mit der Bitte an Theisen heran, diesen Sachverhalt nachzurecherchieren. Insgesamt verbrachte der Schriftsteller ab dem Jahr 2004 zwei längere Perioden in Südfrankreich, in welchen er den spärlichen Spuren der jüdischen Familie Kurzweil und ihrer 13-jährigen Tochter Adele nachging, bevor er diese unrühmliche Geschichte des 20. Jahrhunderts äußerst erfolgreich in Romanform unter dem Titel „Der Koffer der Adele Kurzweil“ umsetzte.

2018 lernte Theisen den Dramatiker Thilo Reffert im Künstlerhaus Saarbrücken kennen und erzählte ihm die Geschichte von Adele. Gemeinsam setzten sie den belletristischen Stoff in ein Theaterstück um, das seine Uraufführung 2020 im Kinder- und Jugendtheater Next Liberty in Adeles ehemaliger Heimatstadt Graz hatte.

Seine zweite Aufführung erlebte das ambitionierte Drama nun nicht an einer der großen Bühnen der Republik oder des Landes Tirol, sondern die grausamen Umstände, welche der Familie Kurzweil zum Verhängnis wurden, kann man zum zweiten Mal in der Unterländer Gemeinde Langkampfen erleben – und zwar ab dem 23. September.

Gänsehaut erzeugendes Jugendtheater
Sebastian Luchner, der rührige Obmann der Volksbühne Langkampfen, hat sich dieses bewegenden Stoffes angenommen. Zusammen mit den Mitgliedern des Langkampfner Jugendtheaters wird derzeit eine Produktion auf die Bühne des Gemeindesaals gebracht, welche in allen Belangen nicht alltäglich für das darstellerische Geschehen im dörflichen Bereich ist. Insgesamt 14 Jugendliche im Alter von 22 bis 14 Jahren übernehmen, wie sich die „Tiroler Krone“ bei einer Probe überzeugen konnte, mit Können, Empathie und großem Respekt vor der Vergangenheit die fordernden und schwierigen Rollen, welche dieses Stück in sich birgt.

„Es ist nicht einfach, diese Rolle zu spielen“
Die Hauptrolle der Adele spielt Carina Kruckenhauser (19). Die angehende Physiotherapeutin teilt mit: „Auf einer Seite ist es erschreckend und schwer, diese Rolle zu spielen. Aber man lebt sich dann hinein und es wird einem bewusst, was damals an Schlimmem passiert ist und auch heute noch gerade nicht weit entfernt von uns geschieht. Man sollte diese Zeit nicht vergessen“.

Weitere Informationen unter: www.volksbuehne-langkampfen.at