Tiroler Ex-Landeschef

Herwig van Staa: Neue Bescheidenheit zum 80er

Tirol
09.06.2022 13:00

„Meine Funktionen waren nicht einmal ein Beistrich in der Weltgeschichte“, sagt Herwig van Staa im „Krone“-Interview anlässlich seines 80. Geburtstages am Freitag: Vom Bürgermeister zum Landeschef und Europapolitiker - und wie der Krieg alles relativiert.

Krone: Herr Bürgermeister, Herr Landeshauptmann, Herr Landtagspräsident: Welche Anrede war Ihnen die liebste?
Van Staa: Bitte, das ist alles a. D. (Anm. Außer Dienst). Es hatte alles Vor- und Nachteile, Erfolge und Misserfolge. Ich war sehr gerne Bürgermeister von Innsbruck, weil hier eine homogene, geschlossene Gruppe hinter mir stand, auf die ich mich immer zu 100 Prozent verlassen konnte.

Später war das dann nicht mehr der Fall?
Es sind andere Rollen. Ein Innsbrucker Bürgermeister ist nie Landeshauptmann geworden. Ich bin aufgrund einer Krise in der Partei mit 60 Jahren noch Landeshauptmann geworden. In dem Alter denken andere ans Aufhören. Ich habe das Amt nicht angestrebt, sondern es aus der gefühlten Verpflichtung heraus übernommen - nach einer sehr knappen Wahl zum Landesparteiobmann.

Eine Krise gab es 1994 auch in Innsbruck. Würden Sie sich als Sanierer bezeichnen?
Die Stadt Innsbruck wurde ja nicht durch mich saniert, sondern aufgrund des Schocks der anderen Parteien, dass unsere Gruppierung (Anm.: Für Innsbruck) den Bürgermeister stellen konnte. Da waren sie zu einer erhöhten Kooperation bereit.

Welche Funktion war im Nachhinein betrachtet die emotional berührendste?
Das kann ich nicht sagen, es hängt auch vom Alter ab. Eine meiner liebsten Tätigkeiten war die Leitung des Agrarinstituts, die ich zwei Jahre innehatte. Dort war ich auch rebellisch unterwegs, vor allem mit dem Vater des heutigen Innsbrucker Bürgermeisters Georg Willi. Wir haben den Bio-Landbau und die ökologische Landwirtschaft sehr gefördert. Als Landeshauptmann war eine der großen Entscheidungen der Vertrag zur Errichtung des Brenner Basistunnels. Trotz einer deutlichen absoluten Mehrheit im Landtag, die ich nach 20 Jahren mit der ÖVP zurückerobern konnte, wusste ich, dass ich nur mit einer Koalition mit der SPÖ das Projekt in Wien durchsetzen kann. Langfristig ist der Tunnel die einzige Chance, um die Transitbelastung in Tirol zu reduzieren. Zeitlich sehr belastend war in der Zeit als LH, dass ich in dieser Zeit auch die Europafunktionen im Europarat ausgeübt habe. Dort kannst du keine Stimmen im eigenen Land gewinnen, eher welche verlieren.

Ist die ÖVP Tirol reformbedürftig oder ist sie auf der Höhe der Zeit?
Jede Partei ist immer reformbedürftig. Auch wenn etwas gut läuft, heißt es nicht, dass man es nicht besser machen könnte. Große Reformen sind aber in der innerparteilichen Demokratie schwer umzusetzen, außer, jemand in der Partei feiert große Wahlerfolge. Dann nimmt die innerparteiliche Stärke zu, so wie wir das bei Kurz gesehen haben.

Die Umfragen für die ÖVP Tirol schauen nicht gut aus, das Minus könnte bis zu 10 Prozentpunkte betragen.
Ich hoffe das nicht. Der Mainstream ist heute ein ÖVP-Bashing, alles wird schlechtgemacht, alles wird skandalisiert. Die U-Ausschüsse tragen zu allem Möglichen bei, aber nicht zur Aufklärung politischer Verantwortlichkeiten. Das Bashing hat sich in den letzten Jahren noch verstärkt. Ich bin in meiner Zeit als Landeshauptmann einige Male unfair behandelt worden. Weder als Vorsitzender der LH-Konferenz noch als Präsident des Europarats wurde mir während meiner gesamten Amtszeit eine TV-Pressestunde gewährt.

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Das, was ich gesagt habe, dazu stehe ich, da ist nichts, wo ich mich entschuldigen müsste.

Herwig van Staa

Ominöser Schweinsager, Internierungslager oder Van der Bellen-Gerücht: Sie haben mit Aussagen auch sehr polarisiert. Ein Fehler?
Das, was ich gesagt habe, dazu stehe ich, da ist nichts, wofür ich mich entschuldigen müsste. Manche Aussagen habe ich aber so, wie sie kolportiert wurden, aber nie gesagt.

Welche war ihre größte politische Fehleinschätzung?
Ich habe Putin für einen Reformer gehalten.

Sie haben 50 Jahre Erfahrung: Was bedeutet der Ukraine-Konflikt für Europa?
Das Schicksal Europas entscheidet sich am Schicksal Russlands und der Ukraine und umgekehrt. Ich hätte seinerzeit wegen der Rohstoffquellen in Russland Kooperation befürwortet. Aber in meinen Funktionen ist man nicht einmal ein Beistrich in der Weltgeschichte.

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