Keine Demokratie

Russen in Österreich über Putin und Ukraine-Krieg

Österreich
03.04.2022 06:00

Ein Stargeiger, eine eingebürgerte Tirolerin und eine ehemalige Studentin aus Salzburg - was denken eigentlich Menschen mit russischen Wurzeln und Verbindung nach Österreich über die aktuellen Kriegsgeschehnisse? Ganz unterschiedliche Sichtweisen und Argumente prallen da aufeinander.

Die Russin Maria (37), Foto oben, unterrichtet Englisch in St. Petersburg und hat sowohl in Salzburg als auch in China studiert. Sie ist, wie viele der jüngeren Generationen, pro-westlich eingestellt. Aber wie viele Unterstützer hat Putin in Russland tatsächlich? Sie sagt: „Es gibt ein Sprichwort: Statistiken existieren in Russland nicht. Vertrau niemals einer Zahl, die aus Russland kommt. Leute werden auch von ihren Arbeitgebern unter Druck gesetzt, sie müssen bei Wahlen ein Foto von ihrem Wahlzettel machen. Es gibt keine Möglichkeit zu wissen, wer was wirklich denkt.“ Sie führt weiter aus: „Das hat mit Demokratie nichts mehr zu tun. Was das Volk denkt, interessiert niemanden.“ Deswegen bringt es für sie auch nicht viel, auf die Straße zu gehen: „Die Leute sind außerdem wirtschaftlich viel zu schlecht aufgestellt, um das lange durchhalten zu können. Sie haben keine Ersparnisse, sie müssen arbeiten.“

Mit der älteren Generation über die Geschehnisse in der Ukraine zu reden sei schwierig, weil diese sich nur über das Staats-TV informiere.

Geboren und aufgewachsen ist Stargeiger Yury Revich (30) in der russischen Hauptstadt Moskau. Er lebt und arbeitet aber bereits seit fünfzehn Jahren in Wien und ist mittlerweile auch österreichischer Staatsbürger. Zu Hause ist er jedoch in allen großen Opernhäusern und Konzertsälen der Welt. Der junge Kosmopolit verurteilt den schrecklichen Angriffskrieg seines Heimatlandes zutiefst und hat sich in den sozialen Medien auch immer wieder klar gegen Präsident Putin und die russische Regierung positioniert. Inzwischen hat er sogar ein eigenes, kleines Stück für die Ukraine komponiert. 

Ausgeladen
Als UNICEF-Botschafter unterstützt der Vollblutmusiker mit seinen Konzerten und Spendenaktionen bereits seit Beginn seiner erfolgreichen Karriere Kinder, denen es nicht so gut geht und die von Krieg und Armut betroffen sind. Dennoch wurde der Geigen-Virtuose vor kurzem von einem internationalen Musikfestival im Sommer wieder ausgeladen. Grund: sein Name und seine russische Herkunft. Er hofft, dass es ein Einzelfall bleibt. 

RUSSEN BEI UNS IM LAND

  • Laut Statistik Austria leben 33.895 Menschen russischer Staatsangehörigkeit in Österreich.
  • Abgesehen von Tausenden Flüchtlingen aus Tschetschenien, die zu einem Teil weiterhin als russische Staatsbürger gelten, zog Österreich in den letzten 20 Jahren vor allem jüngere Menschen aus Russland an.
  • Prominent involviert hat sich Oleg Deripaska (28 Prozent Beteiligung an Strabag). 2018 ließ er auch in Niederösterreich eine russisch-orthodoxe Kirche bauen, um an seinen Opa zu erinnern, der im Zweiten Weltkrieg bei der Befreiung Österreichs gefallen war. Der russische Milliardär übte gemeinsam mit anderen russischen Oligarchen Kritik am Vorgehen des Kreml in der Ukraine.

Julia Berger wuchs zu Sowjetzeiten in der ostukrainischen Hochschulstadt Charkiw auf. Die 41-jährige zweifache Mutter lebt seit 20 Jahren in Tirol, sie hat Folgendes mitzuteilen: „Ich ging in den Westen, da ich in der Ukraine zur Jahrtausendwende kein bisschen Zukunft sah, um mich beruflich wie persönlich weiterzuentwickeln. Ich bin Russin, die sich niemals als Ukrainerin gefühlt hat.“

Weiters sagt sie: „Dieser Ukraine-Patriotismus kam erst in den Jahren nach 1991, davor gab es sowas nicht. Ich weiß nur, dass mich nun durch den Krieg meine eigene Vergangenheit beängstigend eingeholt hat.“ Julia Berger hat zu Anfang des Krieges eine aus Charkiw geflüchtete Kindheitsfreundin inklusive deren Katze bei sich und ihrer Familie aufgenommen. Zudem betreut sie weitere Vertriebene aus der Ukraine.

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