Das Fest der Familie ist für Gefängnisinsassen eine besonders schwere Zeit. Wir haben bei Josef Riedl, Seelsorger in der Justizanstalt Graz-Karlau, nachgefragt, wie es den Häftlingen zu Weihnachten ergeht.
Von tiefgründigen Gesprächen über Gott und die Welt bis zu Bitten um kleine Spenden wie Tabak, Wuzelpapier und Kleingeld zum Telefonieren: Seit 19 Jahren hat der Theologe Josef Riedl ein offenes Ohr für die Insassen der Justizanstalt Graz-Karlau. „Weihnachten ist natürlich auch im Gefängnis eine emotional besonders aufgeladene Zeit“, erzählt der Seelsorger.
Mehr als 500 Häftlinge sitzen in Österreichs drittgrößtem Gefängnis ein, fast die Hälfte davon sucht irgendwann im Laufe der Haft einmal Kontakt zum Anstaltsseelsorger. Zu den Feiertagen steigt der Gesprächsbedarf, besonders schwer haben es Familienväter, die Heiligabend zum ersten Mal hinter Gittern verbringen: „Es gibt ja viele Männer, die ein intaktes Familienleben hatten, aber wegen einem schweren Vergehen einsitzen“, sagt Riedl.
„Verzeiht mir Gott?“
Die Gespräche, um die Häftlinge vorab ansuchen müssen, drehen sich häufig um grundlegende Fragen: Wie kann Gott zulassen, dass so viel Elend auf der Welt passiert? Verzeiht mir Gott, was ich getan habe? „Da ergeben sich oft interessante Gespräche, von denen ich selbst sehr profitiere“, sagt der Theologe.
Doch bei weitem nicht immer geht es um Religion, viele der Insassen wollen einfach nur plaudern oder fragen um kleine Spenden: „Jetzt zum Jahreswechsel sind Kalender sehr gefragt. Nach Möglichkeit versuche ich solchen kleineren Wünschen nachzukommen“, schmunzelt der Seelsorger.
Sonderbesuchstag fällt wegen Corona wieder aus
Besuche von der Familie sind zu den Feiertagen zwar möglich, durch Corona fällt aber der Sonderbesuchstag in der Adventzeit heuer wieder flach. An diesem Tag war es Häftlingen gestattet, Familienangehörige zu einer kleinen Weihnachtsfeier einzuladen. „Dabei konnten sie für eineinhalb Stunden zusammensitzen, es gab Kekse, Kaffee und Weihnachtsmusik“, so Riedl.
Gerade in der Weihnachtszeit ergeben sich mit den Insassen oft sehr tiefgründige Gespräche über das Leben und grundlegende Glaubensfragen – unabhängig von der Konfession. Davon profitiere ich auch persönlich.
Josef Riedl, Gefängnisseelsorger in der Justizanstalt Graz-Karlau
Während die meisten Steirer Heiligabend im Kreis der Familie verbringen und ein Festmahl genießen, ist in der Karlau am 24. Dezember um 11.30 Uhr Einschluss. Aber immerhin: „Es gibt ein etwas anderes Essen als gewöhnlich, quasi ein kleines Weihnachtsmenü“, weiß der Seelsorger. Am Christtag haben die Häftlinge dann die Möglichkeit, eine Messe in der Anstaltskirche zu besuchen. Eine Herzensangelegenheit des Seelsorgers ist seine Rolle als Christkinderl für jene Insassen, die besonders bedürftig sind, weil sie etwa nicht arbeiten können und viel alleine sind. „Sie bekommen von mir am 24. ein Packerl mit Kleinigkeiten wie Schokolade, Kaffee oder Tabak überreicht.“
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