Trauer um Dichter

Kopf der „Wiener Gruppe“ Oswald Wiener ist tot

Adabei
18.11.2021 15:57

„kunst ist propaganda für die wirklichkeit und wird daher verboten!“, verkündete Oswald Wiener in seinem Roman „die verbesserung von mitteleuropa“. Mit der Kunst, der Wirklichkeit und der Künstlichkeit spielte er selbst gern. Am Donnerstag ist der Dichter, Erkenntnistheoretiker und kybernetische Vordenker der künstlichen Intelligenz im Alter von 86 Jahren gestorben. Das bestätigte seine Tochter Sarah Wiener gegenüber der APA.

Oswald Wiener galt nicht nur als theoretischer Kopf der „Wiener Gruppe“, sondern neben Friedrich Achleitner, Gerhard Rühm, Konrad Bayer und H. C. Artmann auch als prägendes literarisches Mitglied. Seinen Roman „die verbesserung von mitteleuropa“ (1969) bezeichnete die „F.A.Z.“ einmal als „eines der beunruhigendsten Dokumente der deutschen Sprache überhaupt“.

„Wiener Gruppe“
Oswald Wiener wurde am 5. Oktober 1935 in Wien geboren, studierte Rechts- und Musikwissenschaften, afrikanische Sprachen und Mathematik. Der radikale ästhetische Zugriff der „Wiener Gruppe“, die mit Collagen und Montagen, Sprachexperimenten und literarischen Kabaretts eine Brücke zwischen Anarchie und Philosophie, Kunst und Literatur schlug, sorgte für Aufsehen. 1959 vernichtete Wiener sein komplettes literarisches Werk und arbeitete in den folgenden Jahren als Computerexperte der Wiener Olivetti-Niederlassung.

1968 war er bei der Uni-Aktion „Kunst und Revolution“ beteiligt, die für einen Skandal sorgte und ihn vor einer sechsmonatigen Gefängnisstrafe schließlich nach Berlin flüchten ließ. Dort eröffnete er die Gaststätte „Exil“ und belegte im Fernstudium Mathematik und Informatik an der Technischen Universität Wien. Ab diesem Zeitpunkt wurde es ihm zum Prinzip, naturwissenschaftliche und kybernetische Ansätze auch in Literatur und Philosophie zu übertragen.

Die Beschäftigung mit künstlicher Intelligenz und den Grundlagen der Mathematik, das Fasziniertsein von den Arbeitsweisen von Maschinen beherrschte daher auch Wieners literarisches Schaffen, für das er mit dem Großen österreichischen Staatspreis für Literatur 1989 ausgezeichnet wurde.

Vermischte Grenzen
In seinem zweiten Roman, „Nicht schon wieder...!“, 1990 unter dem Pseudonym Evo Präkogler erschienen, vermischten sich die Grenzen zwischen menschlicher und künstlicher Existenz. Seine Werke, von den „Literarischen Aufsätzen“ bis zu seinen Publikationen zu den Turing-Tests für künstlich intelligente Systeme, trugen zu allen Disziplinen, die sie streifen - Literatur, künstliche Intelligenz, Kybernetik - eigenständige Ansätze bei.

Der Ehrendoktor der Universität Klagenfurt (1995), der neben dem Literatur-Staatspreis auch mit dem Literatur-Preis der Stadt Wien (1987), dem Grillparzer-Preis der „Anonymen Aktionisten“ (1993) und dem „manuskripte“-Preis des Landes Steiermark (2006) ausgezeichnet wurde, war von 1992 bis 2004 Professor für Ästhetik an der Kunstakademie Düsseldorf. Seine Tochter mit der bildenden Künstlerin Lore Heuermann, die EU-Politikerin, Köchin und Autorin Sarah Wiener, wuchs bei der Mutter in Wien auf.

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(Bild: kmm)



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