Busunglück von 2001

Opfer: „Sah meine Freunde durch Fenster fliegen“

Tirol
30.04.2021 07:00

Für die meisten ist der 1. Mai in diesem Jahr ein Feiertag wie viele andere. Nicht für die Mitglieder des Wandervereins Brettfall. Denn heuer jährt sich zum zwanzigsten Mal das Busunglück von Vomp in Tirol, das deren Leben schlagartig auf den Kopf stellte. Zeitzeugen erinnern sich.

„Schwerer Verkehrsunfall, A12 Fahrtrichtung Kufstein, Höhe Vomp, mehrere eingeklemmte Personen!“ So lautete am 1. Mai 2001 um 18.10 Uhr die Alarmierung, die bei den Einsatzkräften auf dem Pager erschien. „Nach einer halben Stunde war ich dort“, erinnert sich Manuela Gurschler, die damals ihre Ausbildung als Notfallrettungssanitäterin gerade abgeschlossen hatte.

Grund für den Unfall, der in die Tiroler Geschichte einging, waren Spurrillen. Wegen dieser geriet der Gelenkbus mit den 65 Mitgliedern des Zillertaler Wandervereins, die von einer Tour auf dem Weg nach Hause waren, bei der Autobahnausfahrt Vomperbach ins Schleudern.

Acht Tote und zahlreiche Schwerverletzte
„Trotz der Versuche des Fahrers, den Bus mit der Telma-Wirbelstrombremse zu strecken, verlor er die Kontrolle über das Fahrzeug, der Bus scherte nach links aus, begann zu kippen, wälzte die Leitplanken nieder und blieb quer zur Fahrbahn liegen“, ist im Bericht der Freiwilligen Feuerwehr Jenbach zu lesen. Die Bilanz des Dramas: acht Tote, 15 Schwerverletzte und 37 Personen, die Verletzungen unbestimmten Grades erlitten. „Es wurden Zelte aufgebaut, in denen die Insassen je nach Grad der Verletzung triagiert und betreut wurden“, schildert Gurschler, die damals 21 Jahre alt war.

Eigene Großeltern verarztet
„Von der Organisation her hat alles super funktioniert.“ Einen persönlichen Schock, den sie aber erst später wirklich wahrnahm, erlitt die auch heute noch im Einsatz stehende Notfallsanitäterin, als sie plötzlich ihre Großeltern sah, die Mitglieder des Wandervereins waren. Beide überlebten den Unfall zum Glück. „Das habe ich dann erst später so wirklich wahrgenommen, als ich sie ins Krankenhaus begleitete. Während einem Einsatz macht man einfach das, was man gelernt hat.“

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Während einem Einsatz macht man einfach, was man gelernt hat. Die Aufarbeitung erfolgt später im Team.

Notfallsanitäterin Manuela Gurschler

Für Gurschler war es der einprägendste Einsatz in ihrer Karriere. Verarbeiten konnte sie diesen und alle weiteren, die noch folgen sollten, mithilfe der Teamkollegen. „Man bespricht jeden Einsatz im Nachhinein. Was zusätzlich hilft, ist, dass mein Mann ebenfalls beim Roten Kreuz tätig ist und wir immer über unser Erlebtes reden.“

38 Jahre Eheglück mit schmerzvollem Ende
Ganz anders erlebte Hansjörg Brugger die dramatischen Szenen. Er und seine Ehefrau Anni saßen als Vereinsmitglieder im Unfallfahrzeug. „Ich musste mit ansehen, wie Menschen durch die Scheiben hinausgeschleudert wurden und starben“, berichtet der heute 80-Jährige über das Unvorstellbare.

Er selbst überlebte den Unfall mit leichten Blessuren. Nicht so seine Frau Anni, mit der er 38 Jahre lang verheiratet war und mit der er einen Sohn und eine Tochter großzog.

„Meine Frau war schon dem Tode geweiht“
„Auch sie wurde aus dem Fenster geschleudert. Wir saßen ungefähr in der Mitte des Busses“, erzählt Brugger weiter. Auf der Stelle war sie jedoch nicht tot. Sie kämpfte acht Tage auf der Intensivstation in der Innsbrucker Klinik um ihr Leben. „Wir besuchten sie jeden Tag.“ Die Ärzte sagten stets, dass sie stabil sei. Doch am 9. Mai 2001 schloss Anni schließlich für immer ihre Augen. „Sie war letztlich doch dem Tode geweiht“, sagt Brugger andächtig. Eine angebotene Therapie nahm er nicht in Anspruch, sondern verarbeitete das Erlebte auf seine eigene Art.

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Auch meine Frau wurde aus dem Fenster geschleudert. Nach acht Tagen auf der Intensivstation starb sie.

Hansjörg Brugger erinnert sich

„Hege keinen Groll gegen den Busfahrer“
Als der Fall später vor dem Landesgericht verhandelt wurde, erhob niemand eine Anklage gegen den Busfahrer. „Wozu auch“, fragt Brugger. „Er ist gestraft genug und konnte ja nichts dafür.“ Auch wenn der 80-Jährige keinen Groll gegen den Chauffeur hegt, war es trotzdem eine schlimme Zeit. „Ich war ja plötzlich ganz alleine und musste irgendwie durch.“ Erschwert wurde die Situation für den Witwer dadurch, dass er kurz darauf in die Pension kam und keine Ablenkung mehr durch die Arbeit hatte.

„Ein Bild werde ich nie vergessen können“
Mittlerweile hat Brugger seinen Frieden gefunden. Freunde und Bekannte kümmern sich immer wieder um den Pensionisten, der noch immer beim Wanderverein ist und auch sonst sehr aktiv ist. Vergessen kann er das Unglück, das an jenem Dienstag stattfand, freilich nicht. „Das gemeinsame Frühstücken und Reden vor dem Zubettgehen mit Anni geht mir heute noch ab.“ Doch die schrecklichen Bilder von damals ist er los und er kann seine Tage genießen.

Nicht so Manuela Gurschler. „Ein Bild werde ich nie vergessen können“, sagt sie über den Einsatz, der damals um 22 Uhr zu Ende ging. „Es ist eine Szene, in der ein Notarzthubschrauber gerade im Anflug ist. Rettungssanitäter kümmern sich währenddessen um einen Verletzten und ein Feuerwehrmann hält gerade eine Infusion hoch ...“

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