Krankenhaus Zams

Corona: Im Kampf gegen den unbekannten Feind

Tirol
25.10.2020 09:54

Sieben Monate Pandemie: Das Krankenhaus St. Vinzenz im Tiroler Zams war das erste in ganz Österreich, dessen Stationen sich im März mit Covid-Patienten füllten. Und sie tun es wieder ...

Durch einen leichten Bogen tritt man auf die Dachterrasse des Krankenhauses. Die Oktobersonne scheint, der Himmel über Tirol ist blitzblau. So mancher Mitarbeiter habe sich hier schon einen Sonnenbrand geholt, schmunzelt Bernhard Guggenbichler, Geschäftsführer des Hauses. Das Personal komme manchmal herauf, um Pause zu machen.

„Früher hat man die Lungenkranken durch die Bögen auf die Terrasse geschoben“, erzählt Ewald Wöll, ärztlicher Leiter des Spitals, und deutet auf die denkmalgeschützten Gemäuer. Heute liegen sie einige Stockwerke tiefer in isolierten Zimmern.

Wie aus sechs schnell 60 Patienten wurden
Am 12. März 2020 wurde der erste Corona-Patient ins drittgrößte Spital Tirols eingeliefert, bis Mitte Juni sollten es 149 werden. Denn das Krankenhaus St. Vinzenz in Zams ist zuständig für das Ötztal, das Pitztal - und das Paznaun.

„Wir dachten, wir seien gut vorbereitet gewesen“, sagt Wöll. Heute kann er darüber ein bisschen schmunzeln. Doch im März verzehnfachte sich die Anzahl der Covid-19-Patienten binnen einer Woche von sechs auf 60. Dabei hatte das Haus schon im Jänner eine eigene Infektionsambulanz eingerichtet - „falls chinesische Gruppen nach Tirol kommen würden“. Die kamen nicht. Ischgl kam.

Normalbetrieb eilig heruntergefahren
Ein Krisenstab wurde gebildet, zweimal täglich gab es Sitzungen. „Meist stimmte das, was wir morgens besprochen hatten, am Abend nicht mehr“, sagt Wöll. Verdachtsfälle, Patienten - es wurden täglich mehr, Station um Station musste leer geräumt werden, der Normalbetrieb wurde eilig heruntergefahren. Testkapazitäten gab es im März kaum. Über die Fernsehbildschirme flimmerten die Bilder aus Bergamo. Das Spital lief im Krisenmodus, in Ischgl tobte das Virus.

Enorme Belastung für Mitarbeiter
In schwerer Schutzkleidung kümmerte sich das Personal um die Corona-Patienten, wendete die Kranken, während sie an der Beatmungsmaschine hingen, zig Schläuche in ihre Venen liefen. „Die Belastung für die Mitarbeiter war enorm“, sagt Guggenbichler. „Menschen, die schwer an Covid-19 erkranken, liegen im Schnitt drei bis vier Wochen auf der Intensivstation“, erklärt Wöll. Eine plötzliche Verbesserung gebe es nicht. „An einem Tag geht es besser, am nächsten wieder schlechter“, fährt der Arzt fort. Das mache müde. Die Patienten, das Personal.

Dauer der Behandlung extrem langwierig
Nach 30 Tagen konnte der erste Intensiv-Patient vom Tubus genommen werden - „da haben wir zum ersten Mal gesehen, dass das, was wir tun, auch etwas bringt“, erzählt Wöll. Denn die Ärzte kämpften gegen einen unbekannten Feind. „Wir hatten es mit extrem schweren und langwierigen Krankheitsverläufen zu tun, die ich trotz meiner langjährigen Erfahrung in allen Bereichen der Intensivmedizin noch nicht erlebt habe“, sagte Walter Hasibeder, Leiter der Anästhesie und Operativen Intensivmedizin. 31 Patienten benötigten Intensiv-Behandlung, 14 von ihnen parallel. Nur durch den Lockdown habe eine Behandlung ohne Triage gewährleistet werden können, sagen die Ärzte. Die Intensivmortalität lag im St.-Vinzenz-Krankenhaus bei 16,7 Prozent. Der Großteil der Patienten konnte nach langer Behandlung auf die Normalstation entlassen werden.

In sieben Monaten Pandemie hat man viel gelernt. In der Behandlung, in der Organisation - und darüber, dass zu jedem guten Plan eine Portion Glück gehört.

Spitäler füllen sich in ganz Österreich wieder
„Natürlich ist man nun etwas gelassener“, sagt Wöll. Die Stimmung in der Bevölkerung bereite ihm dennoch Kopfschmerzen. „Die nächsten zwei bis vier Wochen werden entscheiden, wie wir durch den Winter kommen“, sagt er. Im Krankenhaus versuche man den Parallelbetrieb so lange wie möglich aufrechtzuerhalten, isoliere nicht mehr ganze Stationen, sondern Zimmer für Zimmer.

„Doch das Buch ist noch nicht zu Ende“, sagt der Arzt. Über die Langzeitschäden wisse man nichts - und seit Kurzem füllen sich die Stationen wieder. In Zams liegen acht Corona-Patienten. In Tirol waren es am Wochenende knapp 100, in Österreich 1177, 175 von ihnen benötigen Intensivbehandlung.

Anna Haselwanter, Kronen Zeitung

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