Silvesterbräuche erlaubten Dienstboten im 19. Jahrhundert, ihre nahe Zukunft zu deuten: Räuchern, Pantoffelwerfen oder Hütlheben sorgten in ländlicher Steiermark für Kurzweile.
„Der Jahreswechsel hat durch das Zusammentreffen von Erinnerungen und Hoffnungen einen so geheimnisvollen Glanz, dass der Mensch gerade hier versucht ist, mit einem höheren Wesen auf außernatürliche Weise anzuknüpfen. Nicht bloß der ungeschulte Mann aus dem Volke, auch der gebildete Städter harrt am Silvesterabend der Mitternachtsstunde mit einer gewissen Erregtheit entgegen und fragt das Orakel und schenkt ihm halb und halb Glauben.“
Wie Heimatdichter Peter Rosegger zu berichten weiß, lebten in der Steiermark schon im 19. Jahrhundert magische Silvesterbräuche auf. Sie erlaubten Bauern, Knechten und Mägden, aber auch feinen Herren und Damen aus der Stadt verstohlene Blicke durch das Tor der Zukunft.
Ein mythischer Zeitraum
Im Gegensatz zu heute galt anno dazumal der ungewisse Übertritt vom alten in das neue Jahr aber nicht als ein Zeitpunkt, sondern als ein religiös-mythischer Zeitraum. Er begann am 21. Dezember, in der Thomasnacht, und reichte bis in die Perchtnacht vor dem Dreikönigstag. Innerhalb dieser gut zwei Wochen wurden im bäuerlichen Milieu Verträge geschlossen und Dienstboten packten ihre Siebensachen, um sich zu einem neuen Hof aufzumachen.
„Für diese Menschen war jene Zeit eine voller Unsicherheit. Sie wussten nicht, wie das neue Jahr an der neuen Dienststelle werden würde. Daher fragten die Dienstboten gerne Orakel um Rat“, erklärt Eva Kreissl, die ehemalige Kuratorin im Grazer Volkskundemuseum. „Im mystischen Neujahrsbrauchtum wurde stets Altes verabschiedet und Neues begrüßt.“
Zeigte Pantoffel zur Tür, hieß es: „Auf geht’s!“
Ein typisches Dienstboten-Orakel war das „Pantoffelwerfen“, das hierzulande bis in das 20. Jahrhundert - auch fotografisch - dokumentiert ist. Wie dieser heitere Silvesterbrauch funktionierte? Das Hauspersonal setzte sich mit je einem Pantoffel auf dem Fuß vor eine geschlossene Zimmertür. Danach schleuderte es den Schuh Richtung Tür. Blieb dieser - mit der Spitze zur Tür zeigend - auf dem Boden liegen, hieß es für die Hausangestellten: „Auf zu neuen Ufern!“
Das steirische Hendlorakel
Beim „Hendlorakel“ wiederum betrat man mit verbundenen Augen einen Stall und scheuchte Hühner und den Hahn auf. Danach versuchten Mägde oder Knechte, das flatternde Federvieh zu fangen. Erwischten sie den Hahn, bedeutete das eine große Portion Glück in den kommenden Monaten.
Lag unter den Hut eine Puppe, bedeute dies Kindersegen
Das „Hütlheben“ sollte ebenfalls eine Deutung der nahen Zukunft erlauben. Unter neun am Boden platzierten Hüten wurde jeweils ein kleiner, symbolischer Gegenstand gelegt. Die Teilnehmer hoben je einen Hut auf - lag darunter ein winziges Pupperl, sollte sich im kommenden Jahr Kindersegen einstellen. Eine Geldmünze bedeutete reichen Gewinn, ein Kamm jedoch ließ lausige Zeiten erahnen.
Das Vieh im Stall bekam nur feines Futter
Wachsgießen war übrigens schon in früheren Zeiten üblich, genauso wie das „Rauchengehen“ im und um das Bauernhaus. „Das Räuchern hatte reinigende Funktion. War das alte Jahr abgeschlossen, konnte durch diese uralte Form des Segenspendens etwas Neues kommen“, weiß Eva Kreissl. Und in bäuerlichen Gegenden heute noch weit verbreitet ist die „Maulgabe“ für das Vieh: Zu Neujahr bekamen die Kühe feines Futter wie Kleie mit Kräutern. Damit sollten die Tiere im neuen Jahr gesund bleiben.
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