Schlagabtausch

Lopatka: ÖBB sollen bei Personal statt beim Bau sparen

Österreich
26.05.2010 18:39
ÖVP-Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka hat sich am Mittwoch erneut einen Schlagabtausch mit den ÖBB geliefert: Nachdem er zuletzt ein angeblich sinkendes Antrittsalter bei den Eisenbahn-Pensionisten ortete, fordert er jetzt tiefe Einschnitte beim Personal statt Einsparungen bei Bauvorhaben. Die ÖBB werfen dem Politiker vor, mit falschen Zahlen zu operieren. Später wurde bekannt, dass sich sämtliche ÖVP-Abgesandten aus dem Aufsichtsrat zurückziehen.

Hintergrund der Offensive des Staatssekretärs ist eine Ankündigung von Bures, im Zuge der Budgetkonsolidierung bei den ÖBB um drei Milliarden weniger zu investieren als geplant. Davon könnte unter anderem auch der Brennerbasistunnel betroffen sein, für den Bures derzeit die langfristige Finanzierung nicht gegeben sieht.

Personal aufgestockt statt abgebaut?
Lopatka ortet das Sparpotenzial woanders: Durch Personalabbau könnten die ÖBB rund 150 Millionen Euro pro Jahr einsparen, so der Finanzstaatssekretär - doch stattdessen sei das Personal 2009 sogar aufgestockt worden. Obwohl ein vom ÖBB-Vorstand in Auftrag gegebenes Gutachten bis 2015 ein Einsparungspotenzial von 3.000 Stellen sehe, seien im vergangenen Jahr 3.000 Leute neu eingestellt worden, während nur 1.890 in Pension gegangen seien.

Für die ÖBB-Bediensteten fordert Lopatka eine Nulllohnrunde - damit könnten nach Ansicht des VP-Staatssekretärs 55 Millionen Euro im Jahr eingespart werden, denn die Gehaltsabschlüsse bei den ÖBB würden seit Jahren über jenen der Staatsdiener liegen.

Lopatka will weniger Vorstände und Betriebsräte
Privilegien hätten die ÖBB sowohl bei den Betriebsräten als auch auf Management-Ebene, sagt Lopatka. Er fordert daher einerseits eine Halbierung der Anzahl der derzeit rund 100 Betriebsräte, was pro Jahr mindestens 2,5 Millionen Euro einsparen würde; andererseits könnten sechs Vorstände eingespart werden - in allen Teilgesellschaften nur mehr Zweier-Vorstände - wodurch sich weitere 6 Millionen Euro jährlich an Einsparungen ergeben würden. Von den 25 ÖBB-Spitzenmanagern würden 17 mehr verdienen als der Bundeskanzler. Trotz eines Verlustes von fast 1 Milliarden Euro hätte die Manager für 2008 teure Erfolgsboni ausbezahlt bekommen.

Zudem könnten durch eine Änderung der Pensionsbemessung (Nebengebühren) für künftige ÖBB-Pensionisten jährlich mehr als 100 Milliuonen Euro gespart werden und durch eine Reform des Dienstrechts - resultiertend in geringeren Gehaltssteigerungen - weitere 117 Millionen Euro im Jahr.

ÖBB: "Lopatka operiert wieder mit falschen Zahlen"
Die ÖBB haben die Forderungen Lopatkas am Mittwoch zurückgewiesen. "Lopatka operiert wieder mit falschen Zahlen", sagte ÖBB-Sprecher Alfred Ruhaltinger. So habe Lopatka wider besseres Wissen behauptet, die ÖBB hätten 2009 ein sattes Mitarbeiterplus gehabt. "Er müsste sich nur die Bilanz anschauen. 2009 wurde die Anzahl der Mitarbeiter bei den ÖBB um über 960 verringert." Zur Kritik des VP-Politikers an der ÖBB-Managementstruktur sagte der ÖBB-Sprecher, diese Struktur sei "seinerzeit unter Schwarz-Blau so geschaffen" worden und von Lopatkas Vorgänger Helmut Kukacka als die beste Management-Struktur bezeichnet worden, die die ÖBB jemals hatten.

Lohnkürzungen bei den ÖBB lehnt Ruhaltinger ab, bestehende Verträge seien einzuhalten. Der durchschnittliche ÖBB-Mitarbeiter verdiene wesentlich weniger als andere. Insgesamt seien Lopatkas Forderungen "nur polemisch, aber nicht inhaltlich nachzuvollziehen".

Bures hält Zuruf von Lopatka für "entbehrlich"
Verkehrsministerin Bures hält den "Zuruf" von Lopatka nach tiefen finanziellen Einschnitten bei den ÖBB-Bediensteten und -pensionisten für "entbehrlich". Weder die Arbeitgebervertretung noch die Gewerkschaften würden ihre Kollektivvertrags- und Tarifautonomie auf Zuruf eines Staatssekretärs aufgeben.

Das Management der ÖBB setze den Eigentümerauftrag, sämtliche Einsparungsmöglichkeiten zu nutzen, außerdem bereits um, kommentierte die Ministerin am Mittwoch Lopatkas Forderungen.

Gewerkschafter Haberzettl: Lopatka ein "Lügenbaron"
Vonseiten der Arbeitnehmervertretung der ÖBB sind die Forderungen ebenfalls scharf zurückgewiesen worden. Betriebsratsvorsitzender Wilhelm Haberzettl meinte, Lopatka entwickle sich immer deutlicher zum "Lügenbaron", wenn er gegen die ÖBB-Personalpolitik wettert. Die Zahl der Betriebsräte bei den ÖBB entspreche voll und ganz den Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes, betont Haberzettl. Gesetzliche Eingriffe in das Eisenbahner-Dienstrecht lehnt Haberzettl ab. Während für Lopatka Eingriffe in geltende Verträge problemlos seien, poche er selber auf eine gesetzliche Regelung, "die ihm bereits mit 37 Jahren unbestritten einen ersten Pensionsbescheid als Politiker  - immerhin in der Höhe von 1.400 Euro - beschert hat", dreht Haberzettl den Spieß um.

Zu den von Lopatka geforderten realen Gehaltsreduktionen für die Eisenbahner meint der Spitzengewerkschafter, dass derzeit bei den ÖBB 96,5 Prozent der Beschäftigten unter der Höchstbemessungsgrundlage von derzeit 4.110 Euro brutto liegen. Bei den Beamten, mit denen Lopatka die Eisenbahner gerne vergleiche, sei die Einkommenssituation völlig anders. Für Haberzettl kommen daher weder Gehaltskürzungen noch einen Nulllohnrunde bei den ÖBB infrage. Schließlich verdiene ein Großteil der Eisenbahner nur unter 2.000 Euro netto.

Grüne fordern mehr Züge für Tunnel-Milliarden
Die Verkehrssprecherin der Grünen, Gabriela Moser, meint indes, statt das ÖBB-Angebot zu kürzen und zu verteuern, müsse bei "sinnlosen Milliarden-Tunnelinvestitionen" gespart werden, allen voran beim Brennerbasistunnel. Verschärft werde das "Regierungs-Chaos" bei den ÖBB durch die "jenseitigen Beiträge" von Staatssekretär Lopatka. Dieser solle sich endlich einmal mit der schwarz-blauen Verantwortung für die ÖBB-Probleme beschäftigen, fordert die Grüne: Die Zahl der ÖBB-Manager "mit astronomischen Gehältern" gehe auf des Kabinett Schüssel-Gorbach zurück.

Bei der am Mittwoch abgehaltenen Hauptversammlung der ÖBB-Holding provozierte die ÖVP dann einen weiteren Knalleffekt. Die beiden der Partei zugerechneten Aufsichtsräte wurden nicht wiederbestellt, weil diese aus "persönlichen Gründen" nicht mehr weiter tätig sein wollten, sagte eine Sprecherin des Verkehrsministeriums. Die sechs anderen Aufsichtsräte wurden wiederbestellt. Beobachter vermuten, dass die ÖVP sich durch den Abzug die Möglichkeit für weitere Kritik offenhalten will, ohne dass sie selbst mit den ÖBB in Verbindung gebracht wird.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele