Vater der Autonomie
Südtiroler Alt-Landeshauptmann Magnago gestorben
Bereits bei Magnagos Einlieferung sprach Landeshauptmann Luis Durnwalder (SVP) von einem kritischen Gesundheitszustand. Der Altlandeshauptmann sei wegen "Altersschwäche" eingeliefert worden und habe seit mehreren Tagen nichts mehr gegessen.
Magnago dürfte am Sonntag vor einer Woche aus seinem Rollstuhl gestürzt sein. Dabei soll er sich neben dem Schlüsselbeinbruch auch Verletzungen im Gesicht zugezogen haben. Vorerst hatte der Patient gut auf die Behandlungen angesprochen. In der Nacht auf Sonntag hatte sich Magnagos Zustand dann aber verschlechtert.
35 Jahre lang Parteichef der SVP
Der am 5. Februar 1914 im damals noch österreichisch-ungarischen Meran geborene Magnago wurde im Zweiten Weltkrieg schwerst verletzt und verlor ein Bein. Seine politische Laufbahn startete er 1947 auf der ersten SVP-Landesversammlung. Noch im selben Jahr war der promovierte Jurist mit von der Partie, als einige hundert Südtiroler mit einem Protestmarsch auf die Bozner Präfektur, den Sitz des römischen Regierungsvertreters, gegen die Nichterfüllung des Pariser Abkommens protestierten.
Zunächst wurde er Vizebürgermeister von Bozen. Es folgten der Einzug in den Südtiroler Landtag im November 1948 und die Wahl zum ersten Südtiroler Landtagspräsidenten. Im Mai 1957 wurde Magnago als 43-Jähriger zum Obmann der SVP gewählt. Magnago stand der Südtiroler Volkspartei bis zur Amtsübergabe an seinen Mitstreiter und Nachfolger Roland Riz am 27. April 1992, also fast 35 Jahre lang, als Obmann vor.
"Vater des Pakets"
Die "große Stunde" kam für Magnago am 17. November 1957: Vor rund 35.000 Südtirolern rief er auf Schloss Sigmundskron bei Bozen die legendäre Parole "Los von Trient!" aus. Ende 1960 wurde Magnago dann Landeshauptmann von Südtirol. Er bekleidete dieses Amt über 28 Jahre lang und erreichte bei seinen letzten Landtagswahlen im Jahr 1983 mit 74.690 Vorzugsstimmen sein bestes Wahlergebnis in Südtirol. Zwei Protestkandidaturen 1994 und 2001 gegen das Südtirol benachteiligende Wahlrecht brachten dem Altlandeshauptmann Italien-weit 232.000 bzw. 182.000 Stimmen.
Neben Sigmundskron 1957 war der Abschluss des Südtirol-Paktes ein zweiter wichtiger Markstein im Leben des Politikers. Einen persönlichen Triumph konnte Magnago am 22. November 1969 einfahren, als er mit hauchdünner Mehrheit als Sieger aus der über das Paket entscheidenden Landesversammlung hervorging. Nach langwierigen Autonomieverhandlungen zwischen Bozen, Wien und Rom war es dem Pragmatiker Magnago gelungen, mit einer dünnen Mehrheit von 52,8 Prozent seiner Partei das Einverständnis für die neue Südtirolautonomie mit ihren 137 Schutzbestimmungen abzuringen. Peter Brugger, der Anführer der Paketgegner, beendete durch einen historischen Handschlag mit Magnago den Paketstreit. Seither gilt Magnago als der "Vater des Pakets".
Anerkennung für das Lebenswerk Magnagos in Südtirol
"Silvius Magnago war Südtirol", würdigte Landeshauptmann Luis Durnwalder seinen Amtsvorgänger. Magnago sei es zu verdanken, dass Südtirols Autonomie sich unter schwierigsten Vorzeichen zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt habe. Außerdem sei diese Erfolgsgeschichte von Anfang an friedlich verlaufen, extreme und gewaltbereite Kräfte auf allen Seiten hätten nie die Überhand gewinnen können, betonte Durnwalder.
Magnago habe die Landesregierung in einer überaus schwierigen Phase übernommen, erinnerte Durnwalder. Anfang der 60er Jahre sei die Stimmung aufgeheizt gewesen, die soziale Lage der meisten Südtiroler schlecht, die Abwanderungsrate hoch, die Zuwanderungsrate aus dem Süden auch. Dass das Pulverfass Südtirol damals nicht in die Luft geflogen sei, sei "dem unbedingten Willen Magnagos zum Frieden und zur Verständigung zu verdanken".
Roland Lang, Obmannstellvertreter des Südtiroler Heimatbundes, der Magnago eher kritisch gegenüberstand, würdigte die Verdienste des langjährigen Landeshauptmannes. Magnago habe aber unter vollem Einsatz seiner Persönlichkeit alle Selbstbestimmungsbestrebungen innerhalb und außerhalb seiner Partei "bekämpft und unterdrückt", so Lang. Die ehemaligen politischen Häftlinge der 1960er Jahre hätten "für ein höheres Ziel gekämpft als für eine international schlecht abgesicherte Subautonomie". Sie würden das Lebenswerk Magnagos anerkennen, "aber nur als eine Zwischenlösung auf dem Weg in die Freiheit, die zum jetzigen Zeitpunkt aber ausgedient hat", hieß es in der Erklärung des Heimatbundes.
Reaktionen aus Österreich: "Großer Mann des Ausgleichs"
Auch die Politik in Österreich würdigte die Verdienste Magnagos. "Wir verlieren mit ihm einen großen Politiker, der Zeit seines Lebens das Einende vor das Trennende gestellt hat", sagte Vizekanzler Josef Pröll. Als Vorkämpfer des Südtiroler Autonomiestatuts habe Silvius Magnago erfolgreich Gegensätze überwunden und das Fundament für eine europäische Musterregion und das friedliche Zusammenleben der Südtiroler Volksgruppen gelegt. Pröll: "Unsere tief empfundene Anteilnahme gilt in diesen schweren Stunden seiner Familie".
"Silvius Magnago war einer der großen Männer des Ausgleichs zwischen den Südtiroler Volksgruppen und einer der Väter des Südtirol-Pakets", würdigte Bundeskanzler Werner Faymann in einer ersten Reaktion den verstorbenen Südtiroler Alt-Landeshauptmann. Die beispiellose politische Karriere Magnagos sei wesentlich auf das Vertrauen zurückzuführen, das er schon früh bei der Bevölkerung fand und das er nie enttäuschte.
"Großer Staatsmann verstorben"
Der ehemalige ÖVP-Nationalratspräsident und Seniorenbund-Obmann Andreas Khol sah in Magnago einen "großen Staatsmann": "Südtirol verdankt ihm, seiner Sachkundigkeit, seiner Beharrlichkeit und seinem Verhandlungsgeschick die Autonomie, die zu einem Modell für die Regelung von Minderheitenkonflikten in ganz Europa geworden ist." Magnago habe sich immer zu Österreich als dem Vaterland der Südtiroler bekannt. Durch ihn sei aus der "deutschsprachigen" die "österreichische" Minderheit in Italien geworden.
Bundespräsident Heinz Fischer sprach von einem "höchst verdienten Politiker, der über Jahrzehnte als Landeshauptmann und auch als Obmann der Südtiroler Volkspartei die Geschicke des Landes mit großem Weitblick geleitet hat". Österreich teile die Trauer Südtirols um diesen schmerzlichen Verlust, denn "mit Magnago verliert Europa einen großen Politiker und eine sehr beeindruckende Persönlichkeit".
Strache: "Großen Schritt zur Freiheit nicht gewagt"
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sagte, Magnago gehe in die Geschichte als großer Südtiroler Politiker ein, "der viel für sein Land geleistet und auch erreicht, den großen Schritt zur Freiheit aber nicht gewagt hat". Das Lebenswerk Magnagos als eine Zwischenlösung auf dem Weg in die Freiheit sei aber anzuerkennen.
"Magnago war eine allgemein anerkannte friedensstiftende Persönlichkeit, die dafür gesorgt hat, dass statt der Bomben den Verhandlungen der Vorzug gegeben wurde", äußerte sich Alexander Van der Bellen, langjähriger Parteichef und außenpolitischer Sprecher der Grünen zum Tod des Südtiroler Altlandeshauptmannes.
BZÖ-Chef Josef Bucher zeigt sich "tief betroffen" über das Ableben des Südtiroler Alt-Landeshauptmannes. "Silvius Magnago war ein überzeugter Tiroler, ein großer Europäer und der Architekt des friedlichen Miteinanders der Volksgruppen in Südtirol". Mit Magnago verliere die Europaregion Tirol "einen ihrer größten Söhne".
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.