Tag der Selbsthilfe

„Man fühlt sich einfach vollkommen verstanden“

Tirol
05.06.2019 07:00

Am Tag der Selbsthilfe am Dienstag traten im Bezirkskrankenhaus Hall einige Gruppen ins Rampenlicht.

Es ist ruhig in dem stickigen Eingangsbereich von Haus 10. Den Rücken der Sonne zugewandt, präsentieren sich 14 Selbsthilfegruppen einem relativ schwachen Publikum. Verständlich, immerhin geht es bei Selbsthilfegruppen oft besonders um eines: Anonymität. Ganz hinten im Dunkeln strahlt der Al-Anon-Stand für Betroffene von Alkoholkranken genau dieses Gefühl aus. Waltraud ist am Anfang skeptisch, wird jedoch mit der Zeit offener: „Anonymität ist ein wichtiger Punkt. Wir sprechen uns alle nur mit Vornamen an.“

20.000 Tiroler in über 160 Selbsthilfegruppen
Sie möchte nicht zu viel von sich preisgeben – Barbara Vantsch, Geschäftsstellenleiterin der Selbsthilfe Tirol, erklärt: „Eine Gruppe kann nur von einem Betroffenen oder Angehörigen gegründet werden.“  Der Dachverband unterstütz während der Gründungsphase und stellt auch Räumlichkeiten zur Verfügung. Es gibt derzeit etwa 160 Hauptgruppen in Nord- und Osttirol, die tatsächliche Gesamtanzahl ist jedoch höher. „Dadurch werden zur Zeit etwa 20.000 Tiroler erreicht“, schätzt Vantsch.

Finanzierung: Selbst, Spenden, Sponsoren
Lydia Kremslehner erklärt sich sofort für ein Interview bereit – und das, obwohl sie aufgrund des Usher-Syndroms sowohl seh- als auch hörbehindert ist. 2017 gründete sie die erste und bisher einzige Selbsthilfegruppe für Betroffene mit Usher-Syndrom, Hörsehbeeinträchtigung und Taubblindheit in Tirol. „Ich bin sozusagen Expertin auf eigenem Gebiet“, lacht sie. Bisher gab es aber erst drei Treffen mit fast zehn Leuten. „Das Gebäude muss ja barrierefrei sein. Außerdem brauchen wir spezielle Dolmetscher, um miteinander zu kommunizieren“, erklärt Kremslehner. Die Finanzierung gestaltet sich schwer.

Auch kleinere Gruppen können viel bewirken
Waltrauds Gruppe erhält sich durch innere Spenden selbst. Einmal wöchentlich, immer zur selben Zeit, finden Treffen statt. „Um die fünf sind regelmäßig da. Neue kommen und gehen. Es ist schwierig.“ Doch selbst kleinere Gruppen sind für einzelne Mitglieder oft von großer Bedeutung, versichert Vantsch: „Für viele ist es der erste Schritt hinaus aus dem sozialen Rückzug. Wie eine Brücke zurück.“

Eine angenehme Atmosphäre schaffen
Manuela Steinkellner , Tirol-Leiterin der Österreichischen Morbus Crohn Colitis Ulcerosa Vereinigung (chronische Darmerkrankung), weiß, dass dies vor allem bei schambehafteten Themen oft schwer ist. Sie versucht, die Treffen so angenehm wie möglich zu gestalten. „Einmal im Monat haben wir einen kleinen Stammtisch, an dem wir alle das essen, was wir eigentlich nicht dürften“, gibt sie preis. Auch die Wochenendseminare sind durch die richtige Atmosphäre immer gut besucht.

Letztes Mal nahmen sogar drei Jugendliche teil. Sich auszutauschen ist die Essenz jeder Selbsthilfegruppe. Vantsch bestätigt: „Der Familie gegenüber will man sich oft nicht öffnen. Aber im Kreis mit Personen, die das selbe durchmachen, fühlt man sich einfach verstanden.“

Mirjana Mihajlovic
Mirjana Mihajlovic
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