Was ist da unten?

Alte “Torsteine” als Wegweiser in die steirische Unterwelt

Steiermark
27.12.2009 20:45
Man kann sie noch heute sehen: Hunderte mächtige "Torsteine" weisen in der Steiermark seit Jahrtausenden auf eine geheimnisvolle Unterwelt hin, deren Erforschung mittlerweile zum Lebenswerk eines weltweit renommierten Wissenschaftlers geworden ist. Für den Grazer Prähistoriker Heinrich Kusch zählt nur eine Frage: Welches Geheimnis liegt unter der Steiermark begraben?

Mächtige Steine, offenbar von Menschen bearbeitet, stehen in der Steiermark scheinbar wahllos in der Gegend herum. Die größeren erinnern an die Hinkelsteine, die Comic-Held Obelix so gerne herumschleppt. Andere, meist kleinere, wiederum sind im oberen Bereich mit Löchern ausgestattet (rechtes Bild).

Der Grazer Prähistoriker und Anthropospeläologe Dr. Heinrich Kusch bemüht sich seit Jahren unermüdlich, dem Geheimnis der Steinriesen auf die Spur zu kommen. Vor Kurzem hatten er und seine Frau Ingrid mit der Veröffentlichung ihres Buches "Tore zur Unterwelt" auf ein mächtiges, mystisches Stollensystem (linkes Bild) hingewiesen, das weite Teile der Oststeiermark durchzieht und viele Jahrtausende alt ist (Nachlese in der Infobox).

Etwa 400 Steine übrig
"Die Lochsteine", vermutet Kusch nun, "waren früher jene Wegweiser, die man auf der Erdoberfläche aufgestellt hat, um von hier aus den Verlauf der darunter liegenden Höhlen erkennen zu können." Einst soll es an die 1.000 Steine gegeben haben, Kusch hat bisher 250 davon gefunden. Er vermutet aber, dass insgesamt noch etwa 300 bis 400 davon bei uns existieren.

Ein Vergleich drängt sich auf: "Da es sich eindeutig um sogenannte Megalithe handelt (prähistorische Bausteine, die oft mit Kultischem verbunden sind) könnte eine historische Verwandtschaft mit dem berühmten britischen Stonehenge bestehen. Ähnliche Zeugen einer untergegangenen Kultur findet man ja auch in anderen Teilen Europas. Man nennt sie Menhire, ein Wort, das aus dem Bretonischen kommt und langer Stein bedeutet. Über ihren Sinn und Zweck rätselt man aber überall."

Objekte hauptsächlich um Vorau zu finden
Bei uns findet man die meisten im Gebiet um Vorau, aber es gibt auch einige im Koralpengebiet, bei Schwanberg und in der Nähe von Eibiswald. Die Einheimischen nennen sie Haussegens-, Grenz-, Gatter- oder eben Torsteine. Auch als Torhüter sind sie bekannt.

Zum Leidwesen des Forschers wurden viele der "heidnischen Zeugen" nach der Christianisierung ab dem vierten Jahrhundert systematisch vernichtet. Man warf die oft tonnenschweren steinernen Riesen um und vergrub sie, an einigen Stellen wurden sie sogar in christliche Bauten wie Bildstöcke, Kapellen und Kirchen integriert. Auch der Straßen- und Hausbau wurde im Laufe der Zeit zum "Menhir-Killer". Wenn einer im Wege stand, wurde er gesprengt oder ausgegraben und irgendwo entsorgt.

Vielfach war es der Aberglaube, der die Steine bewahrte. "Im Volksglauben hatten sie den Zweck, den Zugang von der Ober- zur Unterwelt zu bewachen. Damit kommen wir schon nahe an ihren ursprünglichen Zweck heran", sagt Kusch. "Nach alter Überlieferung durfte ein bei einem Gehöft stehender Lochstein nicht entfernt werden, weil der Haussegen auf ihm ruhte."

"Wegweiser zu dieser Unterwelt"
Bei den Erkundungen des geheimnisvollen Höhlensystems, das aus einer unbekannten Epoche stammt, die mindestens 7.000 Jahre zurückliegt und mit verblüffender, unerklärbarer Technik aus dem Gestein gehauen wurde, entdeckte der Grazer Forscher den atemberaubenden Zusammenhang: "Die Positionen der Steine, die noch dort stehen, wo sie immer waren, decken sich exakt mit dem darunter liegenden Verlauf der Stollen. Sie waren Wegweiser zu dieser Unterwelt. Warum es diese gibt, ist noch ein Rätsel. Die Stollen müssen, angesichts des gewaltigen Aufwandes und der Stein-Wegweiser aber sehr bedeutend gewesen sein."

Später durch Kreuze oder Marterl ersetzt
Der einst wohl lückenlose und intelligent angelegte prähistorische "Schilderwald" ist heute leider nur noch in Fragmenten vorhanden. Gäbe es alle noch, hätte es der unermüdliche Sucher Heinrich Kusch heute leichter, mehr über sein Lebenswerk - die Suche nach dem Sinn der geheimnisvollen steirischen Unterwelt - zu erfahren. Eine Erkenntnis hilft ihm dabei vielleicht weiter. Viele dieser steinernen heidnischen Wegweiser wurden nach ihrer Entfernung "christianisiert" und durch Kreuze, Marterl oder Kapellen ersetzt.

Kusch: "Ich habe einige ältere Menschen getroffen, die mir gesagt haben, sie wüssten, dass sich darunter unterirdische Gänge befinden würden. Sie haben's von ihren Alten erfahren und diese wiederum von ihren..."

von Werner Kopacka ("Steirerkrone") und steirerkrone.at
Fotos: Heinrich Kusch
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