Trotz viel Kritik

FPÖ: Küssel-Freund soll Verwaltungsrichter werden

Österreich
15.09.2018 11:56

Die türkis-blaue Bundesregierung hat am Mittwoch eine Liste von Richtern am Bundesverwaltungsgericht beschlossen, die nun als Ernennungsvorschlag Bundespräsident Alexander Van der Bellen präsentiert werden. Ein Vorschlag der FPÖ sorgt dabei für Aufregung. Denn unter den Ernannten ist Hubert Keyl, einst enger Mitarbeiter des früheren Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf (FPÖ) und 2010 in eine Prügelaffäre involviert, bei der der bekannte Neonazi Gottfried Küssel zu seinen Gunsten in Erscheinung trat. Die Freiheitlichen sehen darin allerdings auch nach Tagen der Kritik von Opposition und politischen Beobachtern kein Problem. In der FPÖ-Führung bezeichnet man Keyl als Opfer von „Hetze“ - er sei lediglich zum „Opfer einer Lokalschlägerei“ geworden.

Keyl war Mitglied der schlagenden Burschenschaft Silesia, auf einer Party der Studentenverbindung in einer Wiener Rotlichbar kam es im Jahr 2010 zu einer Schlägerei. Keyl soll mit seiner Frau im Rahmen der Burschenschafter-Party in Streit geraten und daraufhin von einem weiteren Teilnehmer des Festes niedergeschlagen und erheblich verletzt worden sein. Keyls Frau, langjährige Mitarbeiterin des FPÖ-Parlamentsklubs, soll wenig später mit Küssel als Unterstützer an ihrer Seite in das Nachtlokal zurückgekehrt sein.

(Bild: APA/Robert Lizar)

Partygast bei Neonazi Küssel
Der nunmehrige FPÖ-Kandidat für den Verwaltungsrichterposten wurde kurze Zeit später von der Burschenschaft ausgeschlossen. Die Verbindung zu Küssel blieb aber weiterhin bestehen. So berichtete das „profil“ unter Berufung auf einen Informaten kurz nach der Prügelaffäre, dass Hubert Keyl und seine Frau jahrelang bei Veranstaltungen bei Küssels Verbindung „Das Reich“ in einem Kellerlokal in der Wiener Lichtenauergasse zu Gast waren. Küssel wurde 2013 wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verurteilt und sitzt seitdem in Haft.

Gottfried Küssel bei einer Berufungsverhandlung im Jahr 2014 (Bild: APA/Herbert Pfarrhofer)
Gottfried Küssel bei einer Berufungsverhandlung im Jahr 2014

Selig gesprochenen Widerstandskämpfer als Verräter bezeichnet
Als der österreichische Widerstandskämpfer und Wehrdienstverweigerer Franz Jägerstätter im Jahr 2007 von der katholischen Kirche selig gesprochen wurde, veröffentlichte Keyl einen Brief in der rechtsradiaklen Zeitschrift „Zur Zeit“, in dem er Jägerstätter, der von den Nazis hingerichtet worden war, als „Verräter“ bezeichnete, der „seine Kameraden im Stich gelassen hatte“. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes veröffentlichte das Schreiben am Freitag auf Twitter.

FPÖ: „Hervorragender Kandidat“
Die Freiheitlichen sehen in all diesen Dingen auch nach Tagen der Kritik kein Hindernis für die Ernennung Keyls zum Verwaltungsrichter - wo er übrigens unter anderem für Asylverfahren zuständig wäre. Keyl sei „ein hervorragender Kandidat“, hatte bereits FP-Generalsekretär Christian Hafenecker erklärt. Er sieht eine „Hatz“ vonseiten der Opposition, diese sei „verwerflich und widerwärtig“. Die Freiheitliche Partei stehe „hinter ihren klugen und befähigten Köpfen“ und werde sich „von ihrem Weg für Österreich“ nicht abbringen lassen, so der Generalsekretär. Bezugnehmend auf den Vorfall mit Küssel hieß es aus der FPÖ-Führung auch am Samstag gegenüber krone.at lediglich, Keyl sei zum „Opfer einer Lokalschlägerei“ geworden. Es handle sich hier um „Hetze“ gegen den FPÖ-Mann.

Christian Hafenecker (FPÖ) (Bild: APA/Helmut Fohringer)
Christian Hafenecker (FPÖ)

Die Opposition sieht in der drohenden Bestellung Keyls einen massiven Imageschaden für das Bundesverwaltungsgericht. SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim zeigte sich „entsetzt, weil das jeden Rahmen von Verantwortlichkeit sprengt“. „Ich frage mich, mit welcher Verantwortung die Bundesregierung international und national agiert“, sagte der SPÖ-Abgeordnete. Jemanden „mit der Vergangenheit des Herrn Keyl“ für eine solche Position zu ernennen, sei unverantwortlich: „Wenn das so ist, dann verstehe ich überhaupt nicht mehr, mit welcher Naivität, Ahnungslosigkeit oder Gewissenlosigkeit dem Land gegenüber die Organe der Republik, in diesem Fall jene in der Regierung, agieren“, so Jarolim.

Justizsprecher Hannes Jarolim (SPÖ) (Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)
Justizsprecher Hannes Jarolim (SPÖ)

„Hat in der Gerichtsbarkeit nichts verloren“
Der stellvertretende NEOS-Klubobmann Niki Scherak bezeichnete den Schritt als „untragbar“. Für Scherak sei besonders besorgniserregend, dass Keyl in Zukunft auch für Asylagenden zuständig sein werde: „Diese Entscheidung passt vorne und hinten nicht. Jemand, der der Neonazi-Szene offensichtlich nahe steht, hat in der Gerichtsbarkeit nichts verloren“, sagt der pinke Abgeordnete. 

NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak (Bild: APA/Georg Hochmuth)
NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak

Sowohl Jarolim als auch Scherak fordern Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) dazu auf, in dieser Causa nun Position zu beziehen. „Ich wünsche mir eine Stellungnahme vom Bundeskanzler“, so Jarolim, der aber nicht damit rechnet: Denn er erwarte sich von Kurz „überhaupt nicht mehr viel, weil er zu allem schweigt“. Ähnlich die Kritik Scheraks: „Dass Kanzler Kurz sogar zu einer derartigen Frechheit schweigt, ist unzumutbar.“

Entscheidung liegt bei Bundespräsident Van der Bellen
Jarolim wie auch der stellvertretende NEOS-Klubchef setzen nun auf Bundespräsident Alexander Van der Bellen: „Ich hoffe nun, dass der Herr Bundespräsident mit Ruhe und Sachverstand entscheidet“, so der SP-Justizsprecher. „Der Bundespräsident muss diese Entscheidung verhindern. Wir dürfen nicht zulassen, dass derart untragbare Personen solch wichtige Ämter übernehmen“, sagte Scherak. Denn ob Keyl seinen Posten antreten kann, liegt nun am Bundespräsidenten. Als Jurist ist erl übrigens schon jetzt am Bundesverwaltungsgericht tätig.

Das Amtsgebäude des Bundesverwaltungsgerichtes in Wien (Bild: APA/Roland Schlager)
Das Amtsgebäude des Bundesverwaltungsgerichtes in Wien

Liste Pilz-Abgeordnete Alma Zadic meinte in einer Aussendung, Van der Bellen sei nun aufgefordert, seiner Verpflichtung gemäß Verfassung als Bundespräsident nachzukommen „und unsere Rechtsprechung vor rechtsextremen Einflüssen zu schützen“. Man könne nicht zulassen, dass jemand, der NS-Deserteure als „Verräter“ betrachte und gegen von Nazis ermordete Priester wettere, in österreichischen Gerichtssälen Recht spreche und Entscheidungen im Namen der Republik fälle.

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