Wer einschläft, stirbt

Schweizer Skitour-Drama: Todesurteil Erschöpfung

Ausland
03.05.2018 06:25

Es war das verheerendste Tourengeher-Drama in den Alpen seit Jahren, das sich am vergangenen Wochenende in den Schweizer Bergen an der Grenze zu Italien abgespielt hat: 14 Freizeitsportler waren auf einer mehrtägigen Tour von einer Kaltfront überrascht worden, nur die Hälfte von ihnen kam im Kampf gegen die Wetterextreme mit dem Leben davon. Ein Überlebender schilderte nun die bangen Stunden: „Ich versuchte, nicht einzuschlafen“, sagte der 50-jährige Tommaso P. Eine Mitstreiterin habe er mit eindringlichen Worten angefleht, wach zu bleiben: „Wenn man einschläft, kühlt man aus und stirbt.“

Es waren schreckliche Stunden, die die sieben Überlebenden bis zu ihrer Rettung überstehen mussten. Eine Nacht auf 3270 Metern Seehöhe im Freien, bei Minusgraden und Sturmböen bis zu 100 km/h - zu erschöpft, um sich einen Windschutz zu graben, wie die „Bild“ berichtet. Die Gruppe war auf einer der schönsten Skitouren der Welt unterwegs, der „Haute Route Alpine“ im Matterhorn-Gebiet. Hier kann man tagelang in rund 3000 Metern Höhe durch die Schweizer Alpen wandern und traumhafte Ausblicke genießen - vorausgesetzt, das Wetter spielt mit.

Das war jedoch nicht der Fall: Am Sonntag, dem vierten Tag des Unterfangens, ändern sich die Bedingungen rasant, die insgesamt 14-köpfige Gruppe gerät am Pigne d‘Arolla in einen Sturm und schafft es nicht mehr, die nahe gelegene Berghütte Cabane des Vignettes auf 3157 Metern zu erreichen. Zu schlecht ist die Sicht, Handyempfang gibt es in Gipfelnähe auf dem 3790 Meter hohen Berg nicht.

Bergführer mit 8000er-Erfahrung knapp vor Hütte abgestürzt
Bei Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt müssen die Tourengeher im Freien übernachten, während sich der italienische Bergführer Mario C. - ein Mann, der laut „Bild“ auf drei 8000ern stand - auf die Suche nach der Hütte macht. Er wird später tot aufgefunden: abgestürzt, nur wenige Hundert Meter von der rettenden Hütte entfernt.

Montagfrüh finden die vom Hüttenwirt alarmierten Bergretter die schwer unterkühlten Sportler, die mit Hubschraubern in Krankenhäuser gebracht werden. Für sechs Angehörige der Gruppe - zwei italienische Ehepaare, eine Bulgarin und zuletzt eine 42-jährige Italienerin - kommt die Rettung jedoch zu spät: Sie sterben an den Folgen ihrer Unterkühlung. Für Tommaso P. war sein Überleben in erster Linie eine Frage des Durchhaltens im Kopf: „Ich habe an meine Frau gedacht und weitergekämpft“, schildert er die dramatischen Stunden.

Alpinisten aus Oberösterreich: „Die Toten sind neben uns gelegen“
Am Unglückstag war auch eine Gruppe aus Oberösterreich auf der „Haute Route“ durch die Walliser Alpen unterwegs. Die vier Freistädter kamen unversehrt an ihr Ziel, die Eindrücke vom Überlebenskampf ihrer Kollegen haben sich jedoch in die Köpfe gebrannt: „Die Toten sind neben uns gelegen“, schildert Alpenvereins-Landesreferent Thomas Pflügl der „Krone“ die tragischen Erlebnisse.

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