Sieben Jahre in Haft

“Ich hab es nicht getan!”

Steiermark
25.07.2009 17:45
Er sitzt seit fast siebeneinhalb Jahren im Gefängnis und wird nicht müde, seine Schuldlosigkeit zu beteuern. Jetzt hofft der Ex-Profimusiker Christian W. erneut auf seine Chance. Wieder einmal hat sein Anwalt Peter Gradischnig einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt – und diesmal scheinen die Chancen recht gut zu stehen.

Der heute 37-jährige Oststeirer war 2003 wegen versuchten Mordes in Graz zu 13 Jahren Haft verurteilt worden. Das Urteil war auf einer einzigen Säule aufgebaut: dem gerichtsmedizinischen Gutachten des Grazer Sachverständigen Peter Grabuschnigg. Dieser stellte fest, dass das Opfer, Christian W.s Gattin, von diesem mit einem stumpfen Gegenstand niedergeschlagen oder im Schlafzimmer gegen die Wand geschleudert worden war.

Geschworene sprachen ihn schuldig
Gefunden hat man die Frau dann auf dem Boden vor dem Haus (Bild). Er habe sie nach dem Mordversuch dorthin gebracht, waren sich die Geschworenen (nicht ganz) einig. Mit 5:3 hatten sie für seine Schuld gestimmt. W. behauptet nach wie vor, seine Frau, die sich in einen anderen verliebt hatte, habe sich nach einem Streit in selbstmörderischer Absicht vom Balkon im zweiten Stockwerk gestürzt. Die Frau selbst kann dazu bis heute nichts sagen. Sie leidet seither an Gedächtnisschwund.

Entlastendes Gutachten nicht anerkannt
Ein Privatgutachten des anerkannten Gerichtsmediziners Richard Dirnhofer, in dem klar bestätigt wird, dass die schweren Verletzungen nur von einem Sturz stammen können, wurde seinerzeit vom Gericht nicht anerkannt. Auch die Aussage der Eltern Johanna und Johann W. (im Bild), die bis heute behaupten, von ihrem Wohnzimmer aus gesehen zu haben, wie ein Körper in die Tiefe gestürzt sei, hat man als nicht wahrheitsgemäß (und befangen) abgetan.

Nichte verriet "ihr großes Geheimnis"
Nun hat der Fall neue "Munition" bekommen. Eine Nichte des Inhaftierten, damals sieben Jahre alt, hat erst jetzt, als 13-Jährige, "ihr großes Geheimnis" verraten. "Ich habe mir in der Küche gerade einen Saft gemacht und aus dem Fenster geschaut. Da habe ich gesehen, wie die Frau vom Onkel Christian vom Balkon gestürzt ist", sagt das Mädchen. Lapidare Erklärung: Es habe deshalb so lange geschwiegen, weil es damals von keinem gefragt worden sei. Eine Grazer Gerichtskommission hat das Kind vor Ort einvernommen und seine Aussagen protokolliert. Anwalt Gradischnig ist überzeugt, dass das Kind die Wahrheit sagt.

Kommt neuer Prozess?
Aber er hat auch eine zweite Stütze: Dr. Eva Scheurer, eine Expertin vom Grazer Ludwig-Boltzmann-Institut, hat alle medizinischen Unterlagen, vor allem aber das Grabuschnigg-Gutachten studiert. Sie kommt zum klaren Schluss, dass das vermeintliche Opfer in keinem Fall "seine Verletzungen durch eine Fremdhandlung" erlitten hat. Sie seien hingegen "sehr gut vereinbar mit einem Sturz aus der beschriebenen Höhe". Kommt es nun doch zu einem neuen Prozess?

"Schrecklicher Justizirrtum"
"Unser Sohn ist seit fast siebeneinhalb Jahren im Gefängnis – schuldlos", beteuert Mutter Johanna W. "Es ist ein schrecklicher Justiz-Irrtum!" Und sie glaubt wieder einmal: "Wir haben so viel Geld und so viel Hoffnung investiert – jetzt muss man ihn doch freilassen!"

In den nächsten Tagen wird das Gericht entscheiden, ob es zu einer Wiederaufnahme kommt.

von Werner Kopacka, "Steirerkrone"

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