Vielleicht spielt es tatsächlich eine Rolle, dass Nick van Bloss das Tourette-Syndrom hat. Dass der 48-jährige Brite seinem Leben mit dieser Krankheit die besten Momente abzutrotzen vermag, wenn er sich ans Klavier setzt. Jedenfalls strahlt sein Spiel eine existenzielle Direktheit aus, die an das Schönberg-Zitat erinnert, wonach Kunst nicht von Können kommt, sondern von Müssen.
Kunst kommt von Müssen
So wie auf seiner bald bei Nimbus Records erscheinenden CD-Einspielung kombinierte van Bloss das Variationenwerk op. 120 des spätesten Beethoven auch beim Klavierfrühling mit der "Appassionata" op. 57: Da erstarrte das Schicksalsmotiv am Beginn in einer beinah schon endgültigen Zäsur, bevor der virtuose, vorwärtsmüssende Sturm Beethovenscher Kontrastketten losbrach. Doch weder hier noch in den rasenden Wallungen des letzten Satzes brachte van Bloss’ kraftvoller Anschlag den Fazioli-Flügel zum Klirren; schlank sang er den Choral des Mittelsatzes aus.
Unsentimentale Pranke
Beethovens 33 "Diabelli-Variationen" zeigte der Brite danach als klanglich enorm konkrete Architekturen. Seine unsentimentale Pranke begriff besonders die erste Zehnergruppe als pianistische Verneigung vor barocken Formen und mied alle lyrisch-romantische Befrachtung. Erst die zweite Gruppe erschien auch als Folge von Charakterstücken. Selbst die aufsteigenden Trillerketten der fantasieartigen 31. Variation bannte Nick van Bloss im Diesseits; in unfassbar vollständiger und plastischer Zeichnung rundete die dreistimmige Doppelfuge der Nummer 32 das Bild.
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