Wahl-Farce

Weißrussland: Parlament ohne Opposition

Ausland
24.09.2012 07:42
Wie in den Jahren zuvor zeigt sich auch nach der am Sonntag abgehaltenen Parlamentswahl in der Ex-Sowjetrepublik Weißrussland, wie wenig dieser in der "letzten Diktatur Europas" bewirken vermag. Von den 110 Mandaten gingen lediglich vier nicht an das regimetreue Lager von Präsident Alexander Lukaschenko. Doch auch die gewählten Vertreter der Kommunistischen Partei und der Landwirtschaftspartei hatten schon im Vorfeld ihre Loyalität zu Lukaschenko bekräftigt, was wiederum den Begriff Opposition ad absurdum führt.

Etwa sieben Millionen Menschen waren aufgerufen, die 110 Mandate im Abgeordnetenhaus neu zu vergeben. Die Leiterin der Wahlkommission, Lidja Jermoschina, äußerte sich am Sonntagabend zufrieden über den Urnengang. Mit 74,3 Prozent liege die Beteiligung höher, als "wir gehofft hatten". 

Opposition: "Wahlkommission lügt schamlos"
Regierungskritiker und Teile der Opposition beklagten hingenen Manipulationen. Die Wahlkommission lüge "schamlos", ihre Angaben zur Beteiligung unterschieden sich "radikal" von denen der Wahlbeobachter, sagte Christdemokrat Vitali Rimaschewski am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP. Rimaschewski verwies auf Schätzungen seiner Partei, wonach lediglich etwa 38 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben hätten. AFP-Korrespondenten berichteten von fast leeren Wahllokalen in der Hauptstadt Minsk. Die beiden größten Oppositionsparteien, die Vereinigte Bürgerpartei und die Weißrussische Volksfront, sowie weitere Gruppierungen hatten die Wahl boykottiert.

Lukaschenko: "Feige Opposition"
Der sich seit 18 Jahren an der Macht befindliche Lukaschenko zeigte sich am Sonntag schon Stunden vor Schließung der Wahllokale siegessicher. Alle 110 Mandate würden in Regierungshand bleiben, da die "feige Opposition nichts anzubieten" habe, sagte der 57-Jährige in Minsk. Die Meinung des Westens über die Abstimmung nannte er uninteressant: "Dies sind Wahlen für das weißrussische Volk, nicht für den Westen."

Lukaschenko hatte zuletzt zahlreichen westlichen Wahlbeobachtern und Journalisten die Einreise verweigert. Seit 1994 führt der Präsident das verarmte Land, das als letzter Staat in Europa die Todesstrafe vollstreckt, mit harter Hand. Während seiner Amtszeit wurde keine Abstimmung von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) als frei und fair anerkannt.

Wahlbeobachter stundenlang unter Arrest
Auch "bei dieser Abstimmung gab es von Anfang an keinen Wettbewerb", urteilte Matteo Mecacci, der die OSZE-Kurzzeitbeobachtermission leitete, am Montag. Laut OSZE mangelte es den Wahlbehörden an Neutralität und Unabhängigkeit. In der Ex-Sowjetrepublik habe es vor der Abstimmung auch keine Meinungsfreiheit gegeben, so Mecacci. Oppositionsführer seien in Haft oder würden mit anderen Methoden an der Teilnahme gehindert. Auch etwa 20 Wahlbeobachter durften kurzzeitig Arrest-Luft schnuppern. Medienberichten zufolge wurden diese vorübergehend verhaftet. Die Polizei habe keine Begründung genannt, sagte die Leiterin des Projekts, Anastassia Matschenko, am Montag dem Internetportal udf.by in Minsk. Ihnen seien Fingerabdrücke abgenommen worden, bevor sie nach drei Stunden freigekommen seien.

Westerwelle: "Lukaschenko und sein Regime isolieren"
Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle kritisierte die umstrittene Parlamentswahl scharf: "Das mit den Wahlen verfolgte Ziel, dem Regime von Präsident Lukaschenko den Anschein demokratischer Legitimität zu verleihen, ist offensichtlich fehlgeschlagen." Westerwelle betonte, dass sich Deutschland mit seinen europäischen Partnern weiterhin für die Freilassung politischer Gefangener und für die Stärkung der weißrussischen Zivilgesellschaft einsetzen werde. Sein erklärtes Ziel bleibe, "Lukaschenko und sein Regime weiter zu isolieren". 

Anders als nach der Präsidentenwahl 2010 fanden an diesem Sonntag aber keine Straßenproteste statt. Damals war eine Kundgebung in Minsk brutal niedergeschlagen worden.

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