Naomi Campbell, Laetitia Casta, Cindy Crawford, Kate Moss und Sophia Loren – Pirelli hatte sie schon alle. Halb nackt und lasziv inszeniert von den bedeutendsten Fotografen unserer Zeit: Peter Lindbergh, Mario Testino, Bruce Weber, Herb Ritts oder Annie Leibovitz. Seit mehr als einem halben Jahrhundert verwöhnt der italienischen Reifenhersteller seine treuesten Kunden und ausgewählte Freunde Jahr für Jahr mit erotischen Aufnahmen der Superlative.
Was Anfang der 60er mit einer netten Marketing-Idee begann, ist heute ein Mythos. Carine Roitfeld meinte anlässlich ihrer Zusammenarbeit mit Steven Meisel für die 2015er-Ausgabe: "Für den Pirelli-Kalender zu arbeiten, ist ein Traum, von dem jeder in der Fashionindustrie hofft, dass er eines Tages wahr wird." Und das aus dem Mund der mächtigen Ex-Chefin der französischen "Vogue". Mehr braucht man über den immensen ästhetischen Einfluss, den die Sujets in der Modewelt heute haben, eigentlich nicht zu sagen.
Erster Pirelli-Kalender war ein Flop
Kaum auszudenken, welche ikonischen Aufnahmen uns entgangen wären, wenn aus der ganzen Kalender-Sache nichts geworden wäre. Pirellis allererster Versuch scheiterte nämlich. Denn: Das von Terence Donovan erdachte und umgesetzte Konzept – Models aus den zwölf wichtigsten Exportregionen mit dem dort jeweils meistverkauftem Produkt ins Bild zu rücken – wollte nicht so recht überzeugen. Die schönen Frauen wirkten eigenartig deplatziert vor den Gokarts, Rollern und Landmaschinen. Deshalb wurde der für das Jahr 1963 angedachte Kalender auch nicht veröffentlicht. Erst als der Fotograf Robert Freeman ein Jahr später beschloss, auf jeglichen Pirelli-Produktbezug zu verzichten und mit zwei Models (eines davon war seine Frau) auf Mallorca klassische Pin-up-Motive zu schießen, kam die Sache richtig ins Rollen – ganz ohne Reifen.
Zum Jubiläum des Kultkalenders bringt der Taschen Verlag nun einen beindruckenden 576 Seiten starken Bildband heraus – mit Nachdrucken sämtlicher Kalenderblätter, dazu Bonusmaterial wie bisher nicht gezeigten Aufnahmen, die während der Fotoshootings entstanden sind, den unveröffentlichten Erstversuch von 1963 und Motiven, die den Machern von anno dazumal als "zu gewagt" erschienen sind.
Beim Durchblättern entpuppt sich "Pirelli – Der Kalender. 50 Jahre und mehr" als spannende, visuelle Zeitreise durch Epochen, Moden und Entwicklungen in der Fotografie. Eine Tour de Force der Schönheitsideale und Stile.
Viele schöne Frauen in erotischen Posen
Und ja: Natürlich sind viele der Fotos genau das, was man sich von ihnen erwartet: mehr oder vorzugsweise weniger bekleidete Traumfrauen, die sich irgendwo – sei es nun Sand oder Sofa – in lustvollen Posen rekeln, der Albtraum jeder Feministin, erotische Fotografie nach Schema F. Und trotzdem ist der Bildband in mehrerer Hinsicht ein Glücksfall. Zum einen weil er zugänglich macht, was bisher nur einem Kreis von Auserwählten vergönnt war, weil er das Verständnis von weiblicher Schönheit in einen historischen Kontext setzt und damit auch die inhärenten Ideale sichtbar macht.
Und weil es einige Jahre gibt, die mit ihre Ästhetik, ihren Protagonisten oder ihrem klugen Konzept sehr wohl aus der Bilderflut hervorstechen. Wie etwa der Kalender von 1972, als mit der Französin Sarah Moon zum ersten Mal eine Frau hinter der Kamera stand. Oder die gesichtslosen, ungeschönten Akte von Annie Leibovitz aus dem Jahr 2000. Ihre Bilder sind wahrscheinlich die intimsten überhaupt in der gesamten Geschichte des Kalenders. "Wenn du als Fotografin gefragt wirst, für Pirelli zu fotografieren, dann gibt es da einen ziemlichen Druck, andere Frauen nicht zu enttäuschen und ihre Körper in einer integren Art und Weise darzustellen", sagt Leibovitz. Keine Sorge, Annie, das ist dir gelungen!
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