„Krone“-Interview

Franziska Weisz: „Kann das Leben täglich formen“

Unterhaltung
17.11.2025 06:00

Heute Abend (20.15 Uhr, ORF 1) startet die ORF-Erfolgsserie „Tage, die es nicht gab“ immer montags in Doppelfolgen in ihre zweite Staffel. Unter den vier Hauptdarstellerinnen befindet sich wieder die Wienerin Franziska Weisz, die der „Krone“ nicht nur zur Serie, sondern auch zu anderen Themen bereitwillig Rede und Antwort stand.

„Krone“: Frau Weisz, wie hat es sich mit etwas Distanz zur ersten Staffel „Tage, die es nicht gab“ angefühlt, wieder in die Rolle der Miriam Hinz zu schlüpfen?
Franziska Weisz:
 Wirklich toll. Es war ein bisschen ein Krimi hinterm Krimi, ob es mit der zweiten Staffel auch klappen würde. Alle wollten sie, aber es ist ein sehr aufwändiges und großes Projekt und da müssen viele Parameter zusammenspielen. Als es dann fix war, war es für mich auch auf der privaten und menschlichen Seite die hellste Freude. In der ersten Staffel wurde inhaltlich behauptet, dass wir Frauen die besten Freundinnen sind – teilweise kannten wir uns vorher gar nicht. Diana Amft und Jasmin Gerat haben vor etlichen Jahren „Mädchen, Mädchen 2“ zusammen gedreht, aber sonst hatten wir alle keinen so großen Bezug zueinander. Jedenfalls haben wir beim Dreh schnell gemerkt, dass sich diese Behauptung auch auf die Realität ummünzen lässt. Wir durften die zweite Staffel an den schönsten Orten Wiens und im Wienerwald umsetzen und als wir uns alle wiedergesehen haben, war das ein Fest.

Es hat sich aus dem Zusammenspiel in der ersten Staffel mehr als nur eine große Vertrautheit zueinander ergeben?
Drehbuchautor Mischa Zickler schafft es perfekt, Szenen auf vielen Ebenen zu erzählen und manchmal kommt man erst beim Spielen drauf, worum es eigentlich geht. Als ich mich auf die erste Staffel vorbereitet habe, hatte ich natürlich gewisse Hirngespinste. Die Drehbücher waren großartig und die Dialoge darin einfach toll – es war eine Freude. Als ich die Bücher zur zweiten Staffel las, wusste ich schon, wie wer was sagen würde, weil Mischa unseren Duktus der ersten Staffel in die Bücher mitaufgenommen hat. Ich hatte beim Lesen schon die lebendige Staffel vor meinem geistigen Auge. Dennoch gab es jetzt beim Schauen so viele Überraschungen.

Haben Sie versucht, der bereits durchaus bekannten Figur Miriam Hinz noch neue Facetten anzueignen?
Das hat glücklicherweise Mischa für uns erledigt, denn ich frage mich schon nach der ersten Staffel, wie man das alles jetzt noch toppen könnte. Meine Figur hat eine komplett andere Ausgangslage und schon in den ersten paar Folgen kriegen alle vier Frauen ihr Fett ab. Bei Miriam geht es erst noch halbwegs gemütlich los, aber bald geht es ans Eingemachte. Alle Frauen haben noch einmal große Aufgaben dazukommen. Um die einen zieht sich langsam die Schlinge zu, die anderen werden vom Tsunami erwischt. Es geht also nicht darum, neue Facetten zu zeigen, sondern es stellt sich die Frage, wie sie ihre neuen Aufgaben lösen sollen und dabei über sich selbst hinaus wachsen. Bei einer Serie hat man im Vergleich zu einer 90-Minuten-Produktion den großen Luxus, dass man den Charakter entfalten kann. Man kann unkommentiert eine halbe Folge lang schlecht gelaunt sein und es löst sich erst später auf, warum dem so war.

Es geht vor allem auch um eine loyale Frauenfreundschaft, aber auch darum, wie enge Beziehungen in Extremsituationen auf die Probe gestellt werden. Ist Ihnen das bekannt?
Schon in Staffel eins stellte sich die Frage, wie man mit Geheimnissen umgeht. Alle vier hatten ein gemeinsames Geheimnis und Miriam noch ein weiteres on top. Die Aufgabe des Autos für uns war es, dass die Frauen sich in der neuen Staffel einer Zerreißprobe unterziehen müssen. Was passiert, wenn ein fetter Keil in dieses scheinbar unerschütterliche menschliche Kleeblatt geschoben wird? Und genau da setzt Emily, die Figur von außen, ein. Die Serie spielt in einem Milieu, wo es um ein Elitegymnasium und Millionäre geht, aber die Probleme, die diese Menschen haben, sind universell. Man sieht zwar von außen diesen superreichen Mikrokosmos, aber mit den dargestellten Problemen kann sich jeder identifizieren. Es wird schnell klar, dass Emily nicht überlebt, und dann wird die Geschichte quasi von hinten nach vorne aufgerollt. Warum sie sterben musste. Warum es nicht funktioniert hat, dass dieser Quergeist überlebt. Als ich das Drehbuch las, war mir Emily ein richtiger Dorn im Auge.

Hat sich diese Einstellung dann geändert?
Ich fand sie so unsympathisch, weil ich ihre Rolle anfangs nicht verstanden habe. Warum finden sie alle so toll und müssen sich in sie verlieben? Ich konnte es nicht nachvollziehen. Paulina Hobratschk ist aber eine so wunderbare Schauspielerin, die den Charakter mit so viel Leben und Liebe gefüllt hat. Wenn man dann länger bei der Serie dabei bleibt, verliebt man sich richtiggehend in sie. Alles ergibt plötzlich Sinn und das fand ich fantastisch – das ist das Werk der Regie und dieses zauberhaften Charakters. Emily hat etwas Magisches und Schönes, das sich einem erst später erschließt. Sie ist altruistisch und offen und beim Lesen war mir das anfangs nicht sympathisch. Dann habe ich erst gemerkt, dass ich das schon aus Miriams Perspektive lese – also aus einer gesättigten Wohlstandsperspektive heraus.

Es gibt wieder eine Leiche, es muss wieder ermittelt werden. Was hat Miriam damit am Hut?
Es gibt wieder eine Leiche, es muss wieder ermittelt werden. Was hat Miriam damit am Hut?(Bild: ARD_ORF_SERVUSTV)

Die Sorgen und Probleme der Charaktere mögen universell erscheinen, aber man tut sich natürlich leichter, sie zu lösen, wenn man monetär wenig, bis keine Sorgen hat.
Na ja, das ist alles ein bisschen relativ. In der zweiten Staffel geht es auch um die Trauer um einen geliebten Menschen. Das erwischt jeden völlig kalt, egal, ob man reich ist oder nicht. Jeder hat sich sicher schon mal gedacht: „Oh Gott, wie konnte dieser berühmte Mensch an dieser oder jener Krankheit sterben?“ Die Bestätigung, dass wir alle gleich sind und die ganze Kohle der Welt am Ende nichts hilft, wenn sich der Körper gegen dich stellt. Oder wenn der Mensch, den du liebst, stirbt. Ja, man kann sich sicher leichter einen Therapeuten leisten oder sich ablenken, indem man spontan nach Yucatán fliegt, aber letztlich muss sich jeder diesen Problemen stellen und dafür braucht es Mut und keinen Eskapismus. Und ein starkes soziales Netz, das einen durch diese Zeiten tragen kann, kann man auch nicht kaufen.

Die Serie behandelt mitunter ernsthafte Themen wie Traumabewältigung oder schmerzhafte Reisen zurück in die eigene Vergangenheit. Mussten Sie sich auch schon Dämonen in Ihrem Leben stellen und konnten Sie sich deshalb gut in Ihre Rolle einfühlen?
Der Begriff Dämonen ist vielleicht etwas zu hoch gegriffen, aber am Ende haben wir alle eine größte Hürde und das sind wir selbst. Das ist ein total esoterischer Spruch, den ich irgendwo gelesen habe, aber letztlich stimmt er doch. Es ist doch möglich, Vorurteile zur Seite zu schieben, auf vermeintliche Feinde mal zuzugehen und es ist möglich, irgendwo auszusteigen und einen gewissen Luxus plötzlich nicht mehr zu haben, denn man kann von einer Sekunde auf die andere einen Hebel umlegen. Man kann sein Leben täglich neu formen und das geht auch innerhalb einer Familie oder eines sozialen Geflechts oder Berufs. Man kann bei sämtlichen Entscheidungen im Leben immer wieder mal über seinen Schatten springen, indem man nicht das Umfeld, sondern die eigene Perspektive darauf verändert.

Man muss sich Veränderungen aber auch zutrauen.
Ja, und sich dabei nicht fragen, was andere darüber denken. Ich merke schon, dass meine persönliche soziale Prägung stark in diese Richtung geht, dass ich mich oft sorge, was andere über etwas denken könnten. Die Gedanken muss ich immer wieder bewusst über Bord werfen, frei nach dem Motto: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich gänzlich ungeniert. (lacht) Wir sind sicher freier, wenn wir die Erwartungen anderer nicht mehr vordergründig mitdenken.

So verändert sich Miriam Hinzin der zweiten Staffel der Serie?
Es gibt eine Szene, die ich besonders charmant finde. Das ist eine Rückblende, wo bei Miriam auf der Terrasse ein bisschen Prosecco getrunken wird. Dann ist sie ganz aufgeregt, weil sie ihren Freundinnen ihren neuen Freund Arvid vorstellt. Ich finde das so ulkig, dass man einerseits Hals über Kopf in jemanden verliebt ist und trotzdem ist es einem so wahnsinnig wichtig, was andere darüber denken. Miriam ist eine gestandene Frau, sie hat drei Kinder und eine erfolgreiche Karriere, dazu wahnsinnig viel erlebt und ein super Selbstbewusstsein, aber bei sowas ist sie dann doch wieder wie ein kleines Mädchen. Toll, dass sie diese total menschliche Facette haben darf.

„Tage, die es nicht gab“ ist vor allem eine wunderbare Frauenproduktion. Vier Hauptdarstellerinnen vor der Kamera, zwei Regisseurinnen dahinter – ist es nicht sonderbar, dass so etwas 2025 noch immer selten der Fall ist?
Das ist lustig, dass Sie das jetzt so sagen, denn ich habe erst gestern etwas darüber gelesen, was über die erste Staffel geschrieben wurde. Viele fanden es ganz besonders, dass es um beste Freundinnen ginge. Ich habe vor Jahren einen Film gedreht, da waren wir fünf Hauptdarstellerinnen in einer klaustrophobischen Situation und alle hatten große Angst davor, dass der Dreh zu einem Zickenkrieg ausarten würde. Dann war alles total entspannt. Warum warnt man vor einem Frauenensemble? Das hat schon viel mit unserer Gesellschaft zu tun. Von „Inglorious Basterds“ über „Die glorreichen Sieben“ bis hin zu den „Schlümpfen“ geht es doch immer um Männerbanden, zwischen denen maximal eine Frau Platz findet, mit der sich dann alle Frauen im Publikum, ob alt oder jung, laut oder leise identifizieren müssen. Im Falle von „Tage, die es nicht gab“ finde ich interessant, dass es neben den vier Hauptfiguren, es eben auch spannende und vielschichtige Männerrollen gibt. Jedenfalls mehr als es bei „Die glorreichen Sieben“ tolle Frauenrollen gab.

Aus dieser Sichtweise heraus habe ich mir das noch gar nicht durchgedacht, dass eine Schauspielerin im Prinzip die Emotionen und Charaktereigenschaft alle weiblich konnotierten Zugänge spielen muss …
Das ist die spannende Frage: Soll Fernsehen abbilden, was Realität ist, oder aufzeigen, was möglich ist? In der Hoffnung, mit meinem Beruf einen kleinen positiven Einfluss zu haben, sage ich: beides. Ich bin keine KI, sondern ein lebender, fühlender und aktiver Mensch. Das Schauspiel ist mein Job und meine Darstellung bietet Identifikation. Es ist toll, dass es möglich ist, in unserer Serie zu zeigen, dass man eine erfolgreiche Staatsanwältin sein kann und trotzdem drei Kinder großzieht und dann noch nebenbei die Wirren mit zwei bis drei Männern löst und Fehler macht, wenn man unter Druck gerät. Dann wird die perfekte Staatsanwältin mit ihrem Aktenköfferchen plötzlich verletzlich und dadurch für uns alle nah- und greifbar.

Es geht auch um die Vorbildwirkung. Das ist ein bisschen so wie in technischen Berufen. Wenn man nie Mädchen oder Frauen in solchen Berufen sieht, wie sollen Geschlechtsgenossinnen dann dazu animiert und motiviert werden?
Deshalb finde ich zum Beispiel Kinderfernsehen so unglaublich wichtig und was man dort zeigt. Es ändert sich langsam, mit den weiblichen Helden. Ich bin so aufgewachsen, dass ich im Kinderfernsehen fast nur Jungs sah und mir dachte, sie alle hätten ihre eigenen Charaktereigenschaften, ich als Mädchen aber nicht. Ich darf nur blond und dünn und hübsch sein. Heute gibt es aber zu laute Mädchen. Lustige Mädchen. Superschlaue Mädchen oder auch erfinderische Mädchen. Es ist eine riesige Aufgabe unserer Gesellschaft darauf zu achten, dass diese Rollenbilder da sind. Heute kann auch ein Mann Kanzlerin werden. (lacht)

Mit verschiedenen Rollen durchbricht man Klischees. So verschafft man einen niederschwelligen Zugang zu Dingen, die man sich nicht gedacht hätte. Meiner Erfahrung nach achten vor allem Regisseurinnen besonders darauf, dass in ihren Produktionen Busfahrerinnen oder Tankwartinnen zu sehen sind, wenn es keinen inhaltlich zwingenden Grund gibt, diese Rollen männlich zu besetzen. Das finde ich wichtig und gut, weil man damit nebenbei gleich zeigt, was alles möglich ist. Ich kann mich noch an ganz andere Zeiten erinnern. Zu Beginn meiner Karriere hätte ich die beste Freundin einer namhaften österreichischen Schauspielerin spielen sollen. Man hat mich dann doch nicht besetzt, weil ich auch blond war – wenn auch zehn Jahre jünger. Wir hatten beide helle Haut und blonde Haare, sonst aber nichts miteinander gemein. Das ist total absurd. Ja, Diana Amft, Franziska Hackl und ich sind auch alle drei blond, aber es besteht in „Tage, die es nicht gab“ zwischen uns garantiert keine Verwechslungsgefahr. Heute hat man scheinbar begriffen, dass es unterschiedliche Frauentypen jenseits der Haarfarbe gibt.

Vier Frauen, vier Freundinnen und vier Schicksale – alles miteinander verbunden.
Vier Frauen, vier Freundinnen und vier Schicksale – alles miteinander verbunden.(Bild: [M] Landsiedl [F] Ramstorfer)

Hat man in österreichischen Produktionen aber generell mehr Mut als in deutschen? Traut man sich da eher, gewisse Kreise und Dogmen zu durchbrechen und mehr Frechheit walten zu lassen?
Das hat sich historisch dann schon so entwickelt. Allein schon, wenn ich mich an „Tohuwabohu“ erinnere – das wäre in Deutschland unmöglich gewesen. Otto Waalkes hatte auch seine Show, in der er machen konnte, was er wollte, aber so einen Dadaismus wie bei „Tohuwabohu“ kenne ich im deutschen TV nicht. Die Österreicher haben sich da wohl schon mehr getraut und das Lustige daran ist, dass die Deutschen das wahnsinnig toll und bewundernswert finden, es uns aber nicht wirklich nachmachen. Unser Humor und unsere Abgründigkeit werden international sehr geschätzt.

Möglicherweise fühlt es sich für die Deutschen einfach nicht authentisch an?
Das ist eine smarte Antwort, die würde ich bitte gerne ins nächste Gespräch mitnehmen. (lacht)

Was macht denn für Sie eine richtig gute Freundschaft aus?
Sie steht und fällt mit Ehrlichkeit. Und den anderen so leben zu lassen, wie er ist und wie er es für richtig hält.

Wären Sie im Falle eines Erfolgs auch für eine dritte Staffel „Tage, die es nicht gab“ zu haben?
Absolut. Allein schon deshalb, weil die Produktion es geschafft hat, die Spannung von der ersten zur zweiten Staffel noch einmal zu steigern. Ich bin mir sicher, das gelingt wieder.

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