In der Steiermark kehrten im Jahr 2024 so viele Katholiken wie in keinem anderen Bundesland zurück zur Kirche – und auch im aktuellen Jahr zeichnet sich ein Höchstwert ab. Was steckt hinter der Trendumkehr?
In einem hellen Besprechungsraum in der Basilika Mariatrost nimmt Dietmar Grünwald Platz. Hier ist der Pfarrer heuer schon oft gesessen, um mit Menschen zu sprechen, die wieder in die katholische Kirche eintreten wollen, das aber nicht in ihrer Heimatpfarre machen möchten. „Das sind tiefe, auch kritische Glaubensgespräche, die ich nicht missen will, weil sie sehr interessant sind“, sagt Grünwald. „Ich verstehe den Protest. Manchmal gibt es Wunden und Missverständnisse. Diese Dialoge sind ganz ungezwungen und keine Prüfung.“
Sie sind jedoch verpflichtend für jeden, der auch am Papier wieder katholisch werden möchte. Und das sind aktuell so viele wie lange nicht mehr: 2024 zählte die Diözese Graz-Seckau mit 1150 Wiedereintritten den höchsten Wert aller Bundesländer. „Heuer hatte ich mit Anfang Oktober schon hundert Kontaktaufnahmen – in den vergangenen fünf Jahren waren es 60 bis 70 im Jahr.“
Krieg, Krisen, Unsicherheit
Damit ist die Steiermark nicht allein: In den USA und Frankreich verzeichnet die Kirche Rekord-Zulauf. Krieg, Krisen und Unsicherheit sehen viele als Auslöser. „Gerade heute, wo ein Werteverfall beobachtet wird, besinnt man sich zurück“, sagt Pfarrer Grünwald. „Vor allem viele junge Menschen sind auf der Suche. Ich sage aber allen: Sie sollen schauen, ob sie wo andocken können. Glaube hat viel mit Gemeinschaft zu tun.“ Eine Welle an Wiedereintritten gibt es übrigens immer im Frühjahr, wenn die Firmungen anstehen.
Vor rund zehn Jahren kehrte Landeshauptmann Mario Kunasek (FPÖ) der katholischen Kirche den Rücken. „Es hat gewisse Dinge gegeben, die mich sehr geärgert haben“, denkt er zurück. Vor Kurzem kam dann der Sinneswandel – ausgelöst durch Gespräche mit dem Weihbischof Johannes Freitag. „Diese Gespräche haben bereits zu einer Zeit stattgefunden, als er noch Militärseelsorger war. Er hat die Fähigkeit, auch zweifelnde Menschen, so wie ich einer war, zu erreichen. Er ist bodenständig und zeigt die Bereitschaft zum Zuhören.“
Den Glauben an sich habe Kunasek auch behalten, als er aus der Kirche ausgetreten war. „Ich habe auch weiterhin kirchliche Feste gefeiert. Es bedeutet mir sehr viel, den Heiligen Abend oder den Ostersonntag gemeinsam mit meiner Familie zu verbringen.“ Sein Leben habe sich durch den Wiedereintritt kaum verändert. „Wenn es die Zeit zulässt, nehme ich gerne an Gottesdiensten teil. „
Die meisten, die zurückkehren, sind dennoch zwischen 20 und 60 Jahre alt. Missbrauchsskandale, Finanzen und „ein falsches Bild der Kirche als verstaubt“ nennt Grünwald als Gründe – „die meisten haben ihren Glauben aber nie verloren“.
Manche kehren von anderen Religionen zurück
Jeder Austritt hat auch „Konsequenzen“, sagt Grünwald, und wird eingetragen. „So habe ich etwa auch gesehen, dass ein Herr schon fünfmal ein- und wieder ausgetreten ist – das spreche ich schon an.“ Besonders in Erinnerung ist Grünwald ein Mann geblieben, der nach Jahren als buddhistischer Meister wieder zum Christentum zurückkehrte.
Zeichnet sich eine Trendumkehr ab? Vielleicht. Allerdings treten immer noch gut zehnmal so viele Menschen aus der Kirche aus wie wieder ein – dazu kommt der demografische Wandel. Die Zahlen der Konvertiten ist gering, 2024 gab es in der Diözese 20 Taufen von über 14-Jährigen. Vor der Taufe gilt es nachzuholen, was andere Katholiken über Jahre im Religionsunterricht gelernt haben. Wer einer anderen christlichen Konfession angehört, muss übrigens nur dort aus- und bei den Katholiken wieder eintreten.
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