Die Debatte über die Lebensmittelpreise in Österreich reißt nicht ab – dem Geschäftsführer von Frutura, Manfred Hohensinner, reißt zugleich der Geduldsfaden. Er sieht die heimische Produktion gefährdeter denn je und warnt: „Wir stehen knapp vor dem Abgrund.“
Das Gespräch dauert bereits mehr als eine Stunde, und Manfred Hohensinner kommt immer mehr in Fahrt: „Ich will wachrütteln“, sagt er in seinem Büro in Hartl. Denn laut ihm „geht es ans Eingemachte, wir kommen in eine kritische Zone. Es muss den Menschen bewusst werden, was auf dem Spiel steht!“
Was der Geschäftsführer von Frutura, dem größten heimischen Vermarkter von Obst und Gemüse mit über 1000 Mitarbeitern, meint, ist die Versorgung mit heimischen Lebensmitteln. Diese sei stark gefährdet, denn immer mehr Landwirte hören auf. Risiko und Arbeitsaufwand sind zu hoch, die Einkommen zu gering. Dazu kommt: Wurden die Anbauflächen bisher von anderen bäuerlichen Betrieben übernommen, ist das mittlerweile nicht mehr selbstverständlich der Fall.
„Es heißt pauschal, Lebensmittel sind zu teuer“
Und in diese ohnehin angespannte Lage kommt nun die Diskussion über Lebensmittelpreise. Für Hohensinner geht sie völlig in die falsche Richtung: „Jetzt heißt es pauschal, Lebensmittel sind zu teuer.“ Es werde nicht erwähnt, wie wertvoll hochwertige Lebensmittel für Menschen und deren Gesundheit sind. Und es werde nicht unterschieden zwischen industriell hergestellten Produkten internationaler Konzerne und Bereichen, die der Natur und dem Klimawandel ausgeliefert sind, etwa Obst und Gemüse, das Kerngeschäft von Frutura.
Hohensinner nennt Beispiele, warum es den sogenannten Österreich-Aufschlag im Handel gibt: geografische Lage („Bananen werden an große Nordseehäfen und nicht an die Adria geliefert“), Kleinheit unseres Landes und Überregulierung. Seit zwei Jahren beschäftigt ihn etwa eine Verwaltungsstrafe der Lebensmittelbehörde, weil in einem weststeirischen Supermarkt der Inhalt einer Avocado etwas braun war. Und weil Verpackungen mit festem Gewicht (etwa ein Kilo Äpfel) in Österreich ein „e“ bei der Gewichtsangabe brauchen, sind oftmals eigene Kartons notwendig.
Nur noch wenig Kritik an Mega-Glashäusern
Der Frutura-Geschäftsführer geißelt den „Aktionswahnsinn“ in Supermärkten („Ein Diskonter hat heuer gleich zu Beginn der Ernte minus 50 Prozent Rabatt auf Äpfel angeboten, das kann nie die Kosten decken“), die hohe Lebensmittelverschwendung, ein falsches Förderwesen. Generell sieht der Oststeirer die heimische Agrarpolitik kritisch.
Dazu muss man wissen: Als Frutura vor mehr als zehn Jahren ihr großes Geothermie-Glashausprojekt im oststeirischen Bad Blumau plante, gab es viel Widerstand – auch aus der Landesregierung und der Landwirtschaftskammer. Nun folgt ein zweites Mega-Projekt dieser Art in Neudau (siehe unten). Die Kritik von einst ist laut Hohensinner fast zur Gänze verstummt, sie wirkt in ihm aber noch nach.
„Biodiversität gefährdet Produktion nicht“
Etwa, wenn er leidenschaftlich für Biodiversität plädiert. „Die Landwirtschaftspolitik erklärt immer, Biodiversität gefährdet die Produktion in Österreich. Nein, sie sichert sie!“ Stolz präsentiert er sein Modell 10:1 – auf zehn Hektar Produktionsfläche kommt ein Hektar Biodiversitätsfläche.
Hohensinner gerät ins Schwärmen: „Dadurch werden auch Böden aktiviert, es ist der billigste Bauern-Katastrophenschutz.“ Ihm schwebt ein großes, gemeinsames Demonstrationsprojekt vor. Seine Überzeugung: „Mit nur fünf bis zehn Cent höheren Kosten pro Kilogramm Lebensmittel sichern wir Biodiversität, Landwirtschaftsproduktion und Katastrophenschutz.“
Lebensmittel braucht jeder, auch im Zeitalter der Digitalisierung. Wir geben aber viel zu wenig acht, was wir täglich unserem Körper geben.
Manfred Hohensinner
Bild: Jürgen Fuchs
„Wir stehen am Abgrund“
Eine positive Vision, die einer anderen, weitaus düsteren Prognose gegenübersteht: „Eine verlorene Lebensmittelproduktion lässt sich nicht mehr wettmachen. Wenn jetzt noch viele Produzenten wegbrechen, dann gibt’s bald einen gewaltigen Österreich-Aufschlag – denn dann dominieren die großen Konzerne noch viel stärker. Wir stehen am Abgrund.“
Seit einigen Jahren laufen im oststeirischen Neudau Vorbereitungen für ein neues Glashausprojekt, das von Grundeigentümer Alexander Kottulinsky mit der Supernova-Gruppe entwickelt wird. Alle Genehmigungen liegen mittlerweile vor. Seit Kurzem steht auch der Betreiber fest: Frutura, die in Bad Blumau ein ähnliches Vorhaben bereits realisiert hat.
Auch in Neudau sollen die Glashäuser mit Geothermie beheizt werden, um eine ganzjährige Produktion von Obst und Gemüse zu ermöglichen. Die Anlage ist 18 Hektar groß. Die erste Bauphase (zehn Hektar) soll Anfang 2027 fertig sein, die zweite dann ein Jahr später. Investitionsvolumen: 92 Millionen Euro.
Bis zu 250 Arbeitsplätze sollen entstehen. Neben Neudau soll auch die Nachbargemeinde Burgau vom Projekt stark profitieren – etwa durch die nachhaltige Nutzung der Erdwärme.
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