Dass das Gesundheitssystem immer mehr zum Zwei-Klassen-System wird – dabei sind sich die Tiroler NEOS und ein Tiroler Allgemeinmediziner einig. Bei einer Pressekonferenz sprachen sie Klartext. Nicht gut wegkommt dabei die Österreichische Gesundheitskasse.
„Medizin ist auch Wirtschaft, Medizin ist auch Unternehmertum. Wir dürfen nicht so naiv sein und denken, dass wir hier bei ,Grey’s Anatomy’ sind, den ganzen Tag nur durch die Flure wandern und höchst emotional unsere Patienten behandeln. Das machen wir zwar, aber danach besteht eben eine wirtschaftliche Komponente, auch im kassenmedizinischen Bereich. Und dem müssen wir uns stellen“, stellt Marc-André Leitgeb-Mayer, Facharzt für Allgemein- und Familienmedizin, klar.
Der Vorschlag, OPs von Kassenpatienten in Privatspitälern durchzuführen, kommt einer Kapitulation gleich.
Klubobfrau (KO) Birgit Obermüller (NEOS)
„Rund 40 Prozent sind zusatzversichert“
Der Allgemeinmediziner – man sagt auch Hausarzt -, der im Stubaital wirkt, hat seine Meinung bei der gestrigen Pressekonferenz der NEOS nicht zurückgehalten. Und die ist klar: Das Gesundheitssystem krankt. „Patienten, die lange auf OPs warten müssen, und der Ärztemangel sind Teile davon. Finanzielle Mittel werden immer mehr entzogen und wandern in den privaten Versorgungsbereich. Mittlerweile sind rund 40 Prozent der Menschen zusatzversichert. Für Kassenärzte rentiert sich der Beruf schon fast gar nicht mehr.“
Der Mediziner fühle sich von der Ärztekammer im Stich gelassen, die Gebietskrankenkasse mache es Ärzten schwer. Alles sei viel zu bürokratisch und aufgeblasen: „Wir haben eines der teuersten Systeme, es kann ja nicht nur am Geld liegen. Wir haben ja auch den ganzen Verwaltungsapparat, den wir uns gönnen. Wenn Sie in die Jahresberichte der ÖGK schauen, die ja öffentlich einsehbar sind, dann sehen Sie, dass diese seit der Fusion 2021 rund zehn Prozent mehr Mitarbeiter hat. Wenn Sie als CEO eines Unternehmens mit einem anderen Unternehmen fusionieren und Sie Ihren Aktionären vier Jahre später sagen, dass wir eine Milliarde Euro Minus, aber gleichzeitig zehn Prozent mehr Mitarbeiter haben – was passiert Ihnen dann? Dann fliegen Sie raus. Und zwar achtkantig.“
Die ÖGK ist aufgebläht und zum großen Teil mit sich selbst beschäftigt. Fast jeder Anruf wird zum Spießrutenlauf.
Facharzt Marc-André Leitgeb-Mayer
Er frage sich auch, was sie mit zehn Prozent mehr Mitarbeitern machen? „Die Termine mit den Patienten zum Facharzt machen wir aus, obwohl wir nicht den Versorgungsauftrag haben. Die Telefonate mit den Apotheken wickeln wir ab, um zu schauen, dass die Medikamente da sind. Mit dem Bewilligungs-System schlagen wir uns herum. Gleichzeitig wird uns mit fehlenden Bewilligungen in die Therapiefreiheit hineingepfuscht – vom Schreibtisch aus, wo die Patienten doch direkt bei uns sind“, kritisiert Marc-André Leitgeb-Mayer.
„So wie bisher kann es im Gesundheitssystem nicht weitergehen“, schießt Obermüller (NEOS) in Richtung LR Cornelia Hagele (ÖVP).
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