„Krone“-Interview

„Austroschwarz“: „Bin automatisch ein Sonderfall“

Unterhaltung
02.06.2025 06:00

Der im Kino laufende Film „Austroschwarz“ begleitet den Musiker Mwita Mataro (At Pavillon) auf einer filmischen Reise durch seine Heimat Österreich. In einer Verbindung aus Essay und spielerischer Animation erzählt er über Schwarz-Sein in Österreich, über Identität, Zusammenhalt und Kunst als Aktivismus. Die „Krone“ sprach mit ihm über sein ambitioniertes Projekt.

„Krone“: Mwita, „Austroschwarz“ läuft aktuell endlich in den Kinos und ist ein sehr persönlicher Film über deine Erfahrung als schwarze Personin Österreich. Kann man so eine Erfahrung überhaupt in wenigen Sätzen subsumieren?
Mwita Mataro:
 Genau das ist der Punkt. Das Format Film war eine bewusste Entscheidung, mich intensiv mit Thema Schwarz-Sein, „anders sein“ zu befassen. Dadurch hatte ich die Möglichkeit, mich mit meinem Ko-Regisseur und Partner Helmut Karner vor allem spielerisch mit dem Thema Rassismus zu befassen. Im Prozess des Drehbuchschreibens sind wir dann in Zusammenarbeit mit der dramaturgischen Beratung mit Weina Zhao auf die Fabelgeschichte über Blue Kid gekommen. Mit schwarzen Kindern habe ich dann die Geschichte über Blue Kid erarbeitet, die wir dann mit der Kamera festgehalten haben. Blue Kid lebt mit seiner blauen Familie im Greenland, wo alle anderen grün sind. Damit Blue Kid und seine Familie nicht auffallen, müssen sie sich grün anmalen, um sich anzupassen. Damit konnten wir das Thema „anders sein” mit schwarzen Kindern spielerisch bearbeiten, was dann auch der rote Faden der Doku geworden ist.

Wann startete der Prozess und was war der Grundgedanke für deine Erzählstruktur?
Ende 2020 haben Menschen das Marcus-Omofuma-Denkmal am Platz der Menschenrechte mit „White Lives Matter“-Bannern überdeckt. Diese Aktion hat mich als schwarzer Mann zutiefst verletzt. Aus diesem Schmerz konnte ich mich zum Glück schnell befreien, weil dadurch die Idee zu „Austroschwarz“ entstanden ist.

Du hast den Film mit Helmut Karner inszeniert, den du vor zehn Jahren an der FH kennengelernt hast – gab es im Entstehungsprozess auch noch Erkenntnisprozesse zwischen euch? War die Sichtweise von Helmut auf Dinge oder Szenen oft eine andere als deine?
Helmut hat seinen ersten Spielfilm, „Ground Control”, schon vor „Austroschwarz“ veröffentlicht. Somit hat er sehr viel Know-How in unsere Zusammenarbeit gebracht – ich war ja damals Quereinsteiger. Die Zusammenarbeit zwischen Helmut und mir ist sehr stark auf Vertrauen aufgebaut. Die Ideen, die ich fürs Drehbuch hatte, hat Helmut nie angezweifelt und ich habe mich dadurch sehr verstanden gefühlt. Da Helmut mit seinem Animation-Director Vladimir Savić auch schon für „Ground Control” mit Animationen gearbeitet hat, wollte er dies auch bei „Austroschwarz“ fortsetzen. Weil ich in der Kindheit selbst Comiczeichner werden wollte, hat sich das mit meinen Ideen gut ergänzt.

Als wir uns vor zwei Jahren zum At Pavillon-Interview getroffen haben, hast du mir gesagt „durch meine äußere Erscheinung als schwarzer Österreicher schwingt per se viel Politisches mit“. Ist dieses ständig auf einem klebende politische Etikett oft eine Bürde?
Absolut. Durch meine schwarze Hautfarbe werde ich in der Öffentlichkeit als auch privat im Vergleich zu meinen weißen Kolleginnen immer anders wahrgenommen und anders interpretiert. Das Weißsein wird in unserer Gesellschaft als „die Norm” betrachtet. Somit bin ich automatisch eine Ausnahme, ein Sonderfall, den man ansprechen muss, obwohl man manchmal einfach nur Mensch sein möchte. Mit „Austroschwarz“ habe ich mich mit dem Thema befasst und es ins „Extreme” gebracht, wo ich einen rechten Politiker spiele, der eine Hetzrede gegen die weiße Bevölkerung hält.

Das Wahlverhalten in Österreich ist - noch stärker als in Deutschland – sehr rechtslastig und das Wählen der Rechtsparteien kommt statistisch vor allem häufig in ländlichen Gebieten vor. Hast du das als in Salzburg aufgewachsener dort stärker erlebt als in Wien?
Schon als ich zwölf Jahre alt war, bin ich mit meiner Mutter nach Wien gezogen. Da meine Eltern geschieden sind, habe ich meinen Vater jedes zweite Wochenende in Salzburg besucht. Mir ist damals in der Jugend recht schnell aufgefallen, dass sich die meisten Salzburger im Vergleich zu den Wienern sehr konform anziehen. Kleidung hat für mich auch etwas Politisches. Wer darf was tragen und warum, weshalb etc.

Ist struktureller Rassismus auch in einer Zwei-Millionen-Weltstadt wie Wien gang und gäbe oder gibt es hier doch einen großen Unterschied, weil die Menschen die Vielzahl an Kulturen und Persönlichkeiten hier gewohnt sind?
Da ich Künstler bin, bewege ich mich eher in meiner Kunst-Blase. Das hat seine Vor- und Nachteile, aber bei einer Gleichbehandlung sind wir leider noch lange nicht angekommen. Das Thema „Schwarzsein“ ist in der Kunst und Kulturbranche ein gefragtes Thema. Fragt man Menschen mit Migrationsbiografie, die keinem künstlerischen Beruf nachgehen, dann werden die Problematiken noch um einiges deutlicher. Meine Mutter ist mittlerweile in Pension und war davor leider langzeit arbeitssuchend. Gründe waren, dass sie nicht perfekt Deutsch spricht und zusätzlich schwarz ist. Das habe ich als Kind und junger Erwachsener sehr stark mitbekommen und mitgenommen. Ich habe mich dann lange für meine Hautfarbe geschämt.

Welche Fragen willst du mit „Austroschwarz“ aufwerfen und - auf der anderen Seite - welche Antworten hast du auf Fragen bei der Produktion des Films gefunden?
Bei mir wurde eine bipolare Erkrankung diagnostiziert und es war mir wichtig zu zeigen, dass ich auf der Reha ebenso mit Rassismus konfrontiert war, obwohl ich mich eigentlich erholen wollte. Ich bin da leider kein Einzelfall. Meinen Reha-Aufenthalt habe ich mit meinem Cam-Recorder dokumentiert und im Film dann auch eingebaut. Ebenso hat es mich beschäftigt, wie es so weit kam, dass ich diese Doku über meine Hautfarbe machen musste. Und auch der Teufelskreis, dass ich mich als schwarzer Künstler darauf limitiert fühle, mich nur mit diesem Thema zu befassen.

Meine Kollegen von Bilderbuch können über einen Pool (der Song „Plansch”) und über einen Bungalow (der Song „Bungalow”) singen – ich als schwarzer Österreicher erlebe hingegen täglich, dass Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminiert werden. Ich kann das nicht einfach so stehen lassen und muss mich daher künstlerisch damit befassen. Ich möchte mich aber nicht nur diesem Thema widmen.

Wie wichtig wäre Repräsentation in der heimischen Film- und Kulturlandschaft? Soll es etwa einen schwarzen „Tatort“-Kommissar geben, um das Bewusstsein dafür zu öffnen, oder würde man sich da wieder nur in eine Quotendiskussion begeben?
Ja genau! Der „Tatort“-Kommissar soll mal von einer Migrantin gespielt werden. Es wäre auch megacool, wenn die Hauptrolle im nächsten Hader-Film eine Österreicherin mit sichtbarem Migrationshintergrund spielt. Österreich ist divers und das wird im Film leider noch nicht richtig abgebildet. Filme und Serien prägen das Denken und die Wahrnehmung. Nur so passiert eine aktive und effektive Veränderung in unserer österreichischen Gesellschaft und ein aktives Zeichen gegen die Politik, die sich gegen Menschen positioniert, die „anders” ausschauen.

Manche Szenen sind direkt schockierend - etwa den Rassismus, den du auf dieser Reha erlebst. Denkst du dir im Alltag eigentlich oft „wir haben 2025, das kann’s ja gar nicht geben“?
Erwartungen und Realität stimmen oft nicht überein. Die Frage ist eher, was können wir tun, dass so etwas nicht mehr passiert? Viele weiße Menschen haben wenig bis kaum Berührungspunkte mit Migranten und sind oft überfordert, wenn sie mit nicht-weißen Österreichern zu tun haben. Es gibt zum Beispiel den Verein „ZARA“, der Anti-Rassismus-Workshops gibt. Das ist eine tolle Möglichkeit für Unternehmen, die sich gegen strukturellen Rassismus einsetzen möchten.

Journalistin Claudia Unterweger ist auch ein Teil von Mataros „Austroschwarz“-Projekt.
Journalistin Claudia Unterweger ist auch ein Teil von Mataros „Austroschwarz“-Projekt.(Bild: Filmladen Verleih)

Was waren die wichtigsten oder auch überraschendsten Erkenntnisse, die mit „Austroschwarz“ einhergegangen sind?
Dass meine Bereitschaft, offen über meine Gefühle und meine mentale Gesundheit zu sprechen, viele Menschen berührt. Das habe ich komplett unterschätzt und bestätigt mir, dass es in Zeiten der Selbstoptimierung wichtig ist, sich verletzlich zu zeigen.

Hast du zu deiner Heimat Österreich per se ein zwiespältiges Verhältnis und hat sich dieses Verhältnis durch die Inszenierung dieses Projekts verändert?
Heimat hat für mich persönlich nichts mit einer geografischen Einteilung zu tun. Für mich ist Heimat etwas sehr Abstraktes. Kunst bedeutet für mich Heimat. Ein Gefühl, bei dem ich mich künstlerisch ausdrücken kann und das mich von dieser überfordernden Welt beruhigt. Mit der Zusammenarbeit mit meinem Regiepartner Helmut Karner und auch mit meiner Band At Pavillon habe ich Heimat als sehr stark empfunden.

Was wäre denn das große Ziel, das du mit dem Film verfolgst? Inwiefern kann er verändern, erwecken oder zumindest aufmerksam machen?
Dass sich Menschen ermutigt fühlen, ihre Geschichten zu erzählen. Vor allem darf und soll das „anders sein” keinen Menschen einschränken. Ihr seid alle okay, wie ihr seid und alle haben ihren Platz. Lasst euch bitte nicht von der Mehrheitsgesellschaft unterkriegen. Erzählt eure Geschichten und gestaltet mit!

Was war die schwierigste und berührendste Szene in „Austroschwarz“ für dich? Wo musstest du über deinen Schatten springen?
Definitiv die Arbeit mit den Kindern. Ich stand oft den Tränen nahe. Auch bei der Endszene im Film, wo ich Ella sage, dass sie jetzt die Geschichten sammeln soll, muss ich jedes Malweinen. Ich bin gespannt, wie sie die Szene dann in zehn Jahren findet.

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