Keiner sah ihn ...

Rollstuhlfahrer einfach am Bahnsteig vergessen

Niederösterreich
14.05.2025 18:00

Ein äußerst unschönes Erlebnis hatte der 42-jährige Rollstuhlfahrer Stefan G. am Bahnhof Mödling (NÖ). Der Zug fuhr ihm, noch bevor er an Bord kommen konnte, vor der Nase davon. Weder die Fahrgäste noch der Schaffner sahen, dass der Rollstuhlfahrer alleine am Bahnsteig vor verschlossener Zugtür stand.

Wie in einem schlechten Film saß Stefan G. dann in seinem Rollstuhl und sah zu, wie ihm der Zug vor der Nase davonfuhr. Aber nicht, weil er zu spät dran war, sondern weil sich alle anderen Fahrgäste an ihm vorbeidrängten. Als er dann endlich einsteigen wollte, schloss sich die Tür und niemand kümmerte es, dass er noch wartend am Bahnsteig stand.

Auch vom Schaffner war weit und breit nichts zu sehen. „Der sollte eigentlich darauf schauen, dass niemand am Bahnsteig zurückgelassen wird“, so Stefan. Er musste auf den nächsten Zug warten.

Immer wieder Ärgernisse am Bahnhof
Solche und ähnliche Ärgernisse erlebt der Gloggnitzer, der seit seinem 15. Lebensjahr an Multipler Sklerose leidet und seit fünf Jahren im Rollstuhl sitzt, immer wieder. Trotz seiner Krankheit arbeitet er als Musiklehrer am Gymnasium in Mödling und pendelt dreimal die Woche mit dem Zug zur Schule. Bereits um 6.15 Uhr steigt er in Gloggnitz in den Zug, um spätestens um acht Uhr in der Schule zu sein. Denn mit Verzögerungen sind für ihn immer zu rechnen.

Mit seinem Rollstuhl ist Stefan G. auf Niederflurzüge der ÖBB angewiesen. Dass sich die Leute an ihm vorbeidrängen und ihm selten die Vorfahrt lassen, daran hat er sich bereits gewöhnt.
Mit seinem Rollstuhl ist Stefan G. auf Niederflurzüge der ÖBB angewiesen. Dass sich die Leute an ihm vorbeidrängen und ihm selten die Vorfahrt lassen, daran hat er sich bereits gewöhnt.(Bild: Seebacher Doris)

„Manchmal geht der Lift nicht, manchmal ändern sich die Zuggarnituren überraschend und sind nicht behindertengerecht“, erzählt Stefan nur ein paar Beispiele aus seinem Alltag. Oft ist er dabei auch auf die Hilfe Fremder angewiesen, die ihm dann in den Zug helfen oder zum nächsten Bahnsteig bringen. Aber: „Dass sich die Leute jedes Mal beim Einsteigen an mir vorbeidrängen, das ist normal“, hat Stefan G. bereits resigniert. „Und auch, dass man laufend einen Rucksack im Gesicht hat und generell im Rollstuhl unsichtbar ist“.

Mails, mit denen er sich bereits in der Vergangenheit Hilfe suchend an die ÖBB wandte, wurden immer mit denselben Worten wie: „Die Bedürfnisse von mobilitätseingeschränkten Personen sind für die ÖBB ein großes Anliegen. Selbstverständlich verstehe ich Ihren Unmut, betreffend der Barrierefreiheit in unseren Zügen“, beantwortet.

ÖBB bedauern diesen Vorfall
Auf diesen Fall nun angesprochen, antworten die ÖBB: „Den konkreten Vorfall können wir leider nicht nachvollziehen. Wir möchten jedoch unser aufrichtiges Bedauern über das geschilderte Erlebnis am Bahnhof Mödling ausdrücken. Dass ein mobilitätseingeschränkter Fahrgast auf einem Bahnsteig zurückgelassen wird, ist absolut nicht in unserem Sinne“.

Weiter heißt es: „Wir werden den Sachverhalt intern selbstverständlich genau prüfen und aufarbeiten.“ Und: „Die ÖBB setzen sich seit vielen Jahren mit Nachdruck dafür ein, Barrieren im Bahnverkehr abzubauen. Umso ernster nehmen wir Rückmeldungen wie diese.“

Stefan G. betont aber auch, dass es viele hilfsbereite Menschen gäbe. „Und was man mit meiner Krankheit lernt, ist Entschleunigung“, so der Rollstuhlfahrer abschließend.

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