Zeit der Erinnerung: Der heute 86-jährige Heinz Siedl verbrachte die Nachkriegszeit in einer Villa in Baden und blickt auf schöne und auch ziemlich schräge Erinnerungen mit den Russen zurück. Denn er und seine Familie fanden Arbeit bei einem russischen Arztehepaar, das sie wie Familie behandelte.
Heinz Siedl aus Eggendorf im Bezirk Wiener Neustadt kann sich noch gut daran erinnern, als seine Mutter mit ihm und seinem kleinen Bruder 1944 aus dem brennenden Wien zur Tante nach Baden flüchtete. Auch der Südbahnhof brannte. „Und der Zug war bereits total überfüllt. Meine Mutter hob mich und meinen Bruder durchs Fenster in den Zug und sie selbst wurde dann auch noch hinaufgezogen“, schildert er die dramatischen Minuten vor der Flucht. Denn die Russen waren bereits im Anmarsch. „Und von denen hatte man nie was Gutes gehört“, beschreibt Siedl die allgegenwärtige Angst vor den Besatzern.
Erinnerung an Hausschweinchen, baden im Wein und nackte Russen
Doch diese Angst sollte sich zumindest für seine Familie nicht bestätigen. Seine Eltern – auch der Vater folgte ihnen kurz danach – erhielten einen Job in einer Villa, in der sich ein russisches Ärztepaar niedergelassen hatte. „Er war damals Spitalschef in Baden und seine Frau war dort Ärztin“, so Siedl.
Die beiden behandelten die Siedls wie ihre eigene Familie. Sogar ein eigenes Hausschwein wurde angeschafft, weil die „Hausherrin“ der Meinung war, jede russische Familie brauche ein Schweinchen. Deshalb musste Siedls Vater am Schwarzmarkt tatsächlich eines besorgen. „Franzik, so hieß es, wurde jeden Tag mit warmen Wasser gebadet und gebürstet.“
Viele weitere Episoden sind Heinz Siedl noch in Erinnerung: „Als zu Kriegsende die Wasserversorgung kaputtging, wurden wir Kinder in Wein gebadet“. Denn: „Die Winzer verschenkten ihren gesamten Wein, damit er nicht den Russen in die Hände fiel“, so Siedl.
Oder, dass seine Mutter dem russischen Arzt einen zünftigen Steireranzug besorgte, samt Hut und Gamsbart, damit dieser mit seinem Vater zum Heurigen gehen konnte.
In Erinnerung ist ihm außerdem, dass alle Kinder unter zwölf Jahre das Freibad in Baden besuchen durften, was sonst nur den Angehörigen der Besatzungsmächte erlaubt war. „Und die Russen, die dort waren, waren alle nackt“, schmunzelt er noch heute über den für ihn damals ungewöhnlichen Anblick.
Nicht alle hatten so viel Glück wie er
Heinz Siedl sah jedoch auch das Leid seiner Schulfreunde. „Als der Lehrer fragte, wer noch einen Vater habe, antworteten zwei Drittel, dass ihre Väter entweder tot oder in Gefangenschaft sind“.
1948 verließ das russische Ehepaar jedoch Baden und Siedls Vater bekam einen Job in Wien. So kehrte die Familie, die in der Zwischenzeit bereits auf fünf Personen angewachsen war, wieder in ihre alte Wohnung nach Wien zurück.
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