Ärger über Schikanen

„Dann holen wir eben Bergführer aus Holland“

Tirol
03.10.2023 10:00

Die Tiroler Bergsportführer kämpfen gegen die Einstufung als Unselbstständige bzw. Scheinselbstständige durch die Sozialversicherung. Die Bergrettung muss deswegen jährlich finanziell tief in die Tasche greifen.

Immer öfter werden Bergsportführer in Tirol von der Sozialversicherung nicht als „Neue Selbstständige“ eingestuft. Dabei handelt es sich um eine Tiroler Spezialität, denn nur dort wird das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG) so ausgelegt. Die Bergsportführer und die Tiroler Bergrettung, die ebenfalls betroffen ist, machten ihrem Unmut nun auf einer Pressekonferenz in Innsbruck Luft.

„Es handelt sich klar um selbstständige Tätigkeiten“
„Es gab in letzter Zeit leider eine steigende Zahl solcher Fälle, wenn selbstständige Bergsportführer Touren für Alpinschulen durchführten“, ärgert sich Thomas Rabl, Präsident des Tiroler Bergsportführerverbandes. „Dabei handelt es sich ganz klar um selbstständige Tätigkeiten, das Arbeitsfeld lässt sich auch nur schwer in ein unselbstständiges System eingliedern“, betont Rabl. Durch die Tiroler Eigenart fallen nicht nur - oft nachträglich - für die Touranbieter Abgaben an. Es müssen zudem arbeitsrechtliche Vorschriften am Berg umgesetzt werden, die man de facto gar nicht realisieren kann.

Rabl beschreibt die Absurdität der Auslegung an einem konkreten Beispiel: „Wir müssen uns dann ans Arbeitszeitgesetz halten. Hieße etwa, in der Mitte eines Grats plötzlich stehen zu bleiben und stundenlang zu warten, weil die erlaubte Arbeitszeit überschritten ist.“

Ärger seit dem Jahr 2019
Seit dem Jahr 2019 ist auch die Tiroler Bergrettung verpflichtet, jene Bergführer anzustellen, die in der Ausbildung für die Bergretter tätig sind. „Dadurch entstehen uns jährlich 174.000 Euro an zusätzlichen Kosten“, sagt Hermann Spiegl, Landesleiter der Bergrettung Tirol. Was ihm besonders aufstößt: „Ein hoher Anteil davon geht für administrative Tätigkeiten drauf.“

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Wir haben bereits Gespräche in Wien zu diesem Thema geführt. Unser Anliegen stieß aber bisher leider auf taube Ohren.

Hermann Spiegl, Landesleiter Bergrettung Tirol

Über die Unflexibilität der Behörden bei der Anmeldung von Bergführern schüttelt er ebenfalls nur ungläubig den Kopf. „Wenn kurzfristig ein Bergführer für das Wochenende benötigt wird, ist die rechtzeitige Anmeldung gar nicht mehr möglich und wir riskieren dadurch eine Strafe.“

Bei Ehrenamtlichen muss nun gespart werden
Um die zusätzlichen Ausgaben einzusparen, bekommen die ehrenamtlichen Bergretter jetzt weniger finanzielle Unterstützung für die Anschaffung ihrer Einsatzausrüstung. Und Spiegl hofft, dass das Land Tirol finanziell in die Bresche springt.

„Diese rechtliche Unsicherheit ist nicht länger ertragbar“, betont Walter Zörer, Chef der österreichischen Berg- und Skiführer. Die jungen Kollegen seien verunsichert. Durch mögliche Verteuerungen von Kursen gerate die Sicherheit in Gefahr, weil Alpinisten auf Bergführer verzichten. Zörer, Rabl und Spiegl wollen eine Rechtssicherheit, die die Einstufung als Selbstständige wie sonst in Österreich vorsehe.

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Diese rechtliche Unsicherheit ist nicht länger ertragbar. Die Auslegung ist weltfremd.

Walter Zörer, Präsident des Verbands der österreichischen Berg- und Skiführer

Theoretisch könnte man auch Alpinschulen mit billigeren Bergführern aus Holland ins Land holen, meint Spiegl. Aber das wolle natürlich keiner, stellte er klar.

Kommentar: In der Bananenrepublik
Heute auf der Wildspitze, morgen im Klettergarten, am nächsten Tag Ausbildner für angehende Bergretter. Ein Bergführer hat ein ungeregeltes Leben mit extremen Unwägbarkeiten - allein schon wegen des Wetters, das sich nicht beeinflussen lässt. Wer diesen Beruf ergreift, ist von Haus aus ein Freigeist und will wohl auch kaum etwas anderes sein.

Solche Menschen lassen sich schwer einschränken, „unselbstständig“ ist ein Begriff, den die meisten von ihnen überhaupt nicht kennen.

In Tirol wittert freilich die Sozialversicherung bei diesen Freigeistern zusätzliche Einnahmen - mit einer bemerkenswerten Sturheit. Warum ein Bergführer hier weniger selbstständig sein soll als etwa einer in Salzburg, konnte kein Vertreter der Sozialversicherung bisher plausibel erklären.

Dafür muss das Land für jene 174.000 Euro einspringen, die die Sozialversicherung der Bergrettung Tirol auf diese Weise jährlich abknöpft. Hier nimmt die öffentliche Hand, dort muss sie den Schaden wiedergutmachen. Klingt schon ein wenig nach Bananenrepublik.

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