In Vorarlberg wurden in der vergangenen Woche Temperaturen weit jenseits der 30 Grad gemessen, die nächste Hitzewelle rollt schon an. Bauarbeiter leiden besonders unter den extremen Bedingungen. „Hitzefrei“ bekommen sie aber nicht automatisch.
Kurz vor Mittag vergangenen Dienstag auf der Autobahnbaustelle bei Dornbirn. Hitzeschlieren schlängeln sich nach oben. Der Asphalt dampft, ein neuer Straßenbelag wird verlegt. Mit 150 Grad (!) heizt der frische Teer von unten - und von oben brennt der rote Planet unerbittlich auf die Köpfe der Helden der Baustelle. Der Schweiß fließt in Strömen, es gibt kein Entkommen. Das Thermometer klettert bis auf 34 Grad im Schatten.
Unterdessen wird in Bludenz ein neuer Hitzerekord verzeichnet. 37,7 Grad - so heiß war es in der Alpenstadt noch nie. Es ist zudem der zweithöchste je in Vorarlberg gemessene Temperaturwert. Da kann man noch so sehr ein „Held“ sein - bei diesen Extremen kommt jeder an seine Grenzen. Doch werden die Bauarbeiten zum Schutz der Arbeiter dann auch eingestellt?
Die gesundheitlichen Risiken sind enorm
Hitze stellt ein enormes gesundheitliches Risiko dar. Ist es heiß, schwitzt der Körper als Abwehrreaktion. Dabei gehen Flüssigkeit und Mineralstoffe verloren. Zudem pumpt das Herz mehr Blut in die Hautgefäße, um für Abkühlung zu sorgen. Dadurch sinkt der Blutdruck, der Kreislauf wird geschwächt. Das kann dazu führen, dass das Gehirn nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird - es kommt zu Schwindel, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen. Die körperliche und geistige Leitungsfähigkeit nimmt teils massiv ab. Im Extremfall führt die Hitze zum Tod.
Auf den Baustellen steigt zudem die Unfallgefahr, was ebenfalls tödliche Folgen haben kann. Die Gewerkschaft erinnert daher regelmäßig an die Fürsorgepflicht der Unternehmen, Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen. Bei Hitze sollten etwa Getränke bereitgestellt, zusätzliche Pausen erlaubt oder Arbeiten - wenn möglich - in den Schatten verlegt werden.
Ab 32,5 Grad können Betriebe auch „hitzefrei“ gewähren. Die Beschäftigten erhalten dabei eine Entgeltfortzahlung von 60 Prozent. Die Lohnkosten werden durch die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) refundiert. „Immer mehr Betriebe machen davon auch Gebrauch“, berichtet Andreas Ammann von der Gewerkschaft Bau-Holz (GBH), der die Situation auf den Baustellen im Land bestens kennt. Der große Nachteil für die Unternehmen: Die Baustelle steht still.
Bauaufträge sind oft ein Kampf gegen die Zeit
Ein Problem ist nach wie vor der hohe Termindruck auf Baustellen. „Meistens wird die Verantwortung auf den Polier abgewälzt“, erklärt Ammann. „Der hat dann zu entscheiden, ob die Baustelle kurzzeitig stillgelegt wird und ist schlussendlich der Buhmann.“ Erfreulicherweise räumen aber immer mehr Betriebe im Land der Gesundheit ihrer Beschäftigten oberste Priorität ein: „Es macht keinen Sinn, bei derart hohen Temperaturen weiterarbeiten zu lassen, weil ja verständlicherweise auch die Leistung zurück geht“, erklärt Innungsobmann Johannes Wilhelm.
In seinem Betrieb (Wilhelm+Mayer) werde grundsätzlich versucht, die Arbeiten auf Tageszeiten mit niedrigeren Temperaturen zu verlegen. Und wenn dies nicht möglich sei, gebe es „hitzefrei“. „Es handelt sich ja nur um ein paar Stunden, in denen die Baustelle steht. Da würde es viel mehr schmerzen, wenn der schlimmste Fall eintritt und ein Unfall passiert.“
Es macht keinen Sinn, bei extremen Temperaturen zu arbeiten. Wir geben den Beschäftigten bei uns die Möglichkeit, auch dann hitzefrei zu machen, wenn es von der BUAK nicht bezahlt wird.
Johannes Wilhelm, GF „Wilhelm+Mayer“ und Innungsobmann
Die wachsende Sensibilität bei den Unternehmen zeigt sich auch an der Zahl der von der BUAK bewilligten „Hitzefreitagen“. Waren es in den Jahren 2020 und 2021 bei drei Tagen über 32,5 Grad lediglich neun Betriebe, die einen Antrag stellten, stieg die Zahl im vergangenen Jahr auf 155. Über 1000 Beschäftigte haben an den insgesamt sechs Hitzetagen frei bekommen. Einen wesentlichen Beitrag zu dieser Entwicklung hat laut Ammann auch die „Hitze-App“ der Gewerkschaft geleistet, die es seit dem vergangenen Jahr gibt. Damit kann jeder Beschäftigte selbst kontrollieren, wie heiß es gerade ist.
Forderung nach Rechtsanspruch
Bei „Wilhelm+Mayer“ geht man sogar einen Schritt weiter: „Wir geben den Beschäftigten bei uns die Möglichkeit, auch dann hitzefrei zu machen, wenn es von der BUAK nicht bezahlt wird.“
Ein großes Problem bei der Hitzefrei-Regelung ist, dass noch nicht alle Gemeinden über eine Echtzeit-Temperaturmessstelle verfügen. Somit können Unternehmen oft nicht sicher sein, dass sie die Kosten für die Hitzefrei-Tage von der BUAK auch refundiert bekommen. „Hier sollte man sich darauf einigen, dass an Hitzetagen ein Durchschnittswert für das ganze Land ermittelt wird“, schlägt Wilhelm vor.
Dabei müssten auch die Messpunkte klar definiert werden. „Denn auf der Silvretta werden kaum über 30 Grad erreicht.“ Einem Rechtsanspruch auf „hitzefrei“, wie von der Gewerkschaft gefordert, steht Wilhelm offen gegenüber. „Wenn wir uns auf einen einheitlichen Weg verständigen können, ist das durchaus vorstellbar. Dann besteht auch mehr Klarheit.“ Eines ist auch klar: Die Hitzetage werden in Zukunft sicher nicht weniger werden.
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