"Eine Schweinerei"

Erbitterter Streit um Weihnachtskarpfen in Polen

Ausland
21.12.2011 10:35
Alle Jahre wieder kommt es in vielen polnischen Badezimmern wenige Stunden vor der Bescherung zum Blutbad: Denn am Heiligen Abend gehört traditionell Karpfen auf die weihnachtliche Festtafel - und der Fisch soll frisch sein, ganz frisch. Tierschützer appellieren seit Jahren, zum Fisch aus der Tiefkühltruhe zu greifen. Dennoch schwören viele Polen weiter auf frisch geschlachteten Karpfen. Das hat nun auch den Generalstaatsanwalt auf den Plan gerufen.

Der traditionell auf dem Markt erworbene lebende Fisch spaltet jedenfalls die Gemüter. Bis Weihnachten schwimmt der Karpfen meist seine Runden in der Badewanne oder im Waschbecken der polnischen Wohnungen. Mal haben sich die Kinder dann an den schuppigen Hausgenossen gewöhnt und verlieren den Appetit, wenn er vor ihnen auf dem Teller liegt. Mal hängt der Haussegen schief, weil die Hausfrau wenig Lust verspürt, wenige Stunden vor der Bescherung Blut von den Badezimmerfliesen zu waschen.

"Eine Schweinerei ist das", schimpft etwa Kinga Lisicka aus Warschau, die in diesem Jahr einen tiefgefrorenen Fisch in ihrem Haushalt durchgesetzt hat. "Wenn der Karpfen mit dem Holzhammer erschlagen wird und nicht beim ersten Schlag tot ist, spritzt überall das Blut rum. Da kommt doch keine Weihnachtsstimmung auf."

Generalstaatsanwalt droht mit Gefängnis
Auch Polens Generalstaatsanwalt Andrzej Seremet hat kürzlich sein Herz für Karpfen entdeckt. Rechtzeitig vor dem weihnachtlichen Gemetzel ließ er den Staatsanwaltschaften des Landes ein vierseitiges Rundschreiben zukommen: Schluss mit der Tierquälerei, Karpfen sollten auf "humane Weise" getötet werden. Und nein: Die Holzhammermethode sei keinesfalls human. Bis zu einem Jahr Gefängnis drohe für Tierquälerei. "Karpfen sind Wirbeltiere und unterliegen dem Tierschutzgesetz", schreibt Seremet.

Bei den untergeordneten Anklagebehörden stößt das Schreiben aber bisher auf verhaltene Reaktionen. Einige machten sich in Interviews lustig über die Anweisung und erklärten, sie hätten doch nun wirklich Besseres zu tun. Und überhaupt sei die Ermittlungslage in diesem Fall eher schwierig. Erschwerend hinzu kommt wohl auch, dass Karpfen, anders als Seehunde-Babys oder flauschige kleine Tiger, über keinen Niedlichkeitsfaktor verfügen. Ein zappelnder Fisch in der Einkaufstasche ruft daher in der Öffentlichkeit weit weniger Empörung hervor, als wenn ein Welpe von seinem Besitzer verprügelt wird.

Tierschützer: "Lebewesen wie ein Produkt behandelt"
Lediglich von der Naturschutzorganisation Klub Gaja erhält Seremet Beifall für seine Bemühungen. "Man darf nicht zulassen, dass ein Lebewesen um des schnellen Profits willen wie ein Produkt behandelt wird", betont Gaja-Chef Jacek Bozek. Der Weihnachtskarpfen sei der einzige Artikel in Lebensmittelgeschäften, der lebendig verkauft werde. "Er sollte, wie alle anderen Fische, auf Eis liegen."

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