Knapp drei Jahre sind die beiden Zwillingsgeschwister Giovanna und Mario Fartacek ausgeschert, um sich anderen Projekten zu widmen, erst durch eine besondere Drucksituation fand man wieder kreativ in den Mynth-Stall zurück. „Four“ ist ein folkloristisch, elektronisches Indie-Album, das tief nach innen schaut und die Kunst weit nach außen trägt. Im ausführlichen Interview geben uns die beiden genauere Einblicke in ihre Kreativwelt.
Als das Salzburger Geschwisterpaar Giovanna und Mario Fartacek 2020 das letzte Mynth-Album „Shades“ veröffentlichte, befanden wir uns gerade zwischen zwei Lockdowns. In dieser nebulösen Stimmung kam das einst vom bisherigen Sound abgekehrte Drittwerk der beiden genau richtig, stand es doch - genauso wie die ganze Welt - für Veränderung und Aufbruch. Einige Live-Gigs und Festivalauftritte gingen sich aus, aber wie sie viele großartige Musikprodukte ging schließlich auch „Shades“ in den Covid-Wirren etwas unter, wodurch sich die beiden auf andere Projekte konzentrierten. Giovi auf ihr famose Solovorstellung namens Berglind, Mario auf die Indie-Band Good Wilson und beide zusammen oder für sich als Songwriter für andere Künstler, Festivalkuratoren oder Instrumentalisten. Für das Hauptprojekt blieb dabei ganz lange kaum Zeit, doch dann ging es plötzlich rasend schnell.
Wie ein Heimkommen
„Es war anfangs ein ständiges Rauszögern und wir haben viel abgewartet“, erzählt Mario im „Krone“-Talk, „erst als unser Booker uns sagte, er hätte Tourtermine für April 2023 fixiert, hatten wir unheimlichen Druck. Man kann ja keine Albumtour ohne Album fahren.“ Anstand einzelner Singles oder einer EP wurde es schließlich doch ein Album - das schlicht „Four“ betitelte Werk war ein zeitlicher Kraftakt, der in Marios Studio im Herbst 2022 innerhalb von nur vier Wochen bewerkstelligt wurde. „Es waren wunderschöne vier Wochen“, erinnert sich Giovanna zurück, „wir haben dort lange zusammengewohnt und es fühlte sich wie Heimkommen an. Ich kam mittags zu Mario, wir haben zusammen gegessen, gingen laufen und haben gearbeitet, solange wir Spaß daran hatten. Ich weiß auch gar nicht mehr, wie das Album entstand, aber plötzlich war es da.“
Den Stempel des Elektropop-Duos haben sich die beiden Zwillinge schon nach dem zweiten Album „Parallels“ (2017) abgewaschen, die einstigen Amadeus-Gewinner für die Rubrik „Electronic/Dance“ finden immer mehr Liebe zu handgemachter und basischer Musik. „,Shades‘ war schon sehr gitarrenlastig, ,Four‘ ist jetzt noch songorientierter und beinhaltet sehr viele Folk-Einflüsse. Wir haben jedes Lied bewusst auf das Essenziellste reduziert und wollten uns so pur wie möglich zeigen. Wir haben Songs immer über alle Maßen ausgeschmückt, das war ein klar erkennbares Muster bei uns. Davon haben wir uns bewusst entfernt.“ Mynth vertrauten dem „Magic Demo Take“ und ihren ersten Impulsen. Oft blieb der erste Entstehungsmoment auf der Platte, um die Unmittelbarkeit der Kompositionen perfekt widerzuspiegeln.
Zwischen Mikro- und Makrokosmos
Trotz der Schwere der Zeit ging das Komponieren und Songschreiben mit einer gewissen Leichtigkeit einher. „Musik soll ein gutes Gefühl auslösen, entspannen und unterhalten“, bekräftigt Texterin Giovanna, „es ist nicht nötig, dass man sich intellektuell in unsere Songs wirft. Ich schreibe meine Texte immer abstrakt und will niemandem ein Thema ins Gesicht drücken. Viel wichtiger ist es, dass die Hörerinnen die Musik auf sich wirken lassen können.“ Immer wieder greifen die Themen vom Persönlichen ins Allgemeine, vermischen Mikro- und Makrokosmos wunderbar miteinander. Etwa beim Opener „I Wanna Show You A Song“, eine bekanntermaßen höchstpersönliche Angelegenheit für jeden Musikfreak. „Egal ob es dein eigener Song ist oder einer deiner Lieblingsband. Du weißt beim Herzeigen nie, wie das Gegenüber ihn aufnimmt. Wird er belächelt oder ignoriert, ist das wie eine Beleidigung.“
Die Fartaceks stammen aus einem respektvollen Haushalt, in dem Eltern und Kinder zugehört und aufeinander geachtet haben. „Wir stammen aus keiner Musikerfamilie, aber Musik war bei uns immer wichtig. Wenn wir unseren Eltern etwas vorspielten, redete keiner dazwischen, sie ließen sich darauf ein. Umgekehrt war es gleich, wenn Papa daheim Platten auflegte. Zuhören zu können ist im Leben allgemein wichtig.“ Einen familiären Hintergrund hat auch die feine Nummer „Meander“, die sich vom Terminus Mäander ableitet. Einem Gebirgsbach, der in wunderschönen Kurven von Gletschern gen Tal fließt. „Ich war im Sommer mit einem Freund wandern und erinnerte mich an die Wanderungen in der Kindheit zurück“, erzählt Mario, „der Song ist auch ein schönes Beispiel dafür, wie man am Ende immer seinen Weg findet, um wo anzukommen. Man muss auch in schwierigen Zeiten darauf vertrauen, dass es am Ende gut wird. So sehen wir die Lage der Welt, auch wenn es manchmal schwierig ist, daran zu glauben.“
Den Tod vor Augen
Der wohl düsterste und intensivste Song ist das fragile „One Day“, eine Nummer, in der sich Giovanna völlig öffnet. „Bei diesem Lied bin ich tief in meine größte Angst eingetaucht. Seit ich ganz klein bin, befasse ich mich mit dem Sterben. Ich habe schon immer hinterfragt, was danach kommt und später viel zum Thema Selbstbestimmung am Lebensende geforscht. Ich hörte Marios Gitarre und wusste, dass der Song in diese Richtung gehen würde. Man kann im Alltag nicht mit vielen Leuten einfach so über den Tod reden, ihn hinterfragen oder erörtern.“ Die Sängerin macht sich viele Gedanken und spinnt diese weiter. „Als Kind hatte ich immer Angst davor, als einziger Mensch auf der Welt übrigzubleiben. Der Mensch ist aber so stark, dass egal wer oder wann geht, er immer die Kraft hat, weiterzumachen. Der Song ist eine Ermutigung zum Leben, aber man kann dem Tod damit auch offen in die Augen schauen.“
Ein Schlüsselmoment des Albums ist die Single-Auskoppelung „Wandering“, die in gewisser Weise Zeit und Zustand der letzten Jahre ins rechte Licht rückt. „Der Song ist fluffig geraten und klingt anders als alles, was wir bisher so gemacht haben“, erklärt Giovanna. Mario ergänzt: „Wir sind auf humoristischer Ebene damit umgegangen, wie man sich im stressigen Alltag vor lauter Schusseligkeit oft selbst verliert. Manchmal auch beim Streiten.“ Auf ihr viertes Album sind Mynth stolz. „Wenn man sieht, wie viele gute Bands in Österreich sich nach zwei Jahren aufgelöst haben, dann können wir uns schon darüber freuen. Wir haben das Glück, nicht riesengroß zu sein, aber trotzdem eine tolle Fangemeinde zu haben.“ Live wird man die eher elektronischen älteren Stücke etwas aufweichen und adaptieren, damit sie sich an das Material von „Shades“ und vor allem „Four“ anpassen. „Wir werden uns ganz genau überlegen, wie wir ein stimmiges Konzert gestalten werden.“
Live auf Österreich-Tour
Mit dem brandneuen Album „Four“ gehen Mynth nun auch auf große Tour durch ganz Österreich. Die Fartaceks sind am 5. April im Wiener Fluc, am 20. April im Orpheum Extra in Graz, am 21. April im Salzburger Rockhouse und am 22. April in der Stadtwerkstatt Linz live zu sehen. Unter www.mynthmusic.com gibt es alle Termine, Karten und genaueren Infos zu den Konzerten.
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