Passionsspiele

Die Leidensgeschichte Jesu bewegt einen ganzen Ort

Steiermark
17.07.2022 11:00

Die Theaterrunde von St. Georgen ob Murau feiert heuer ein ganz besonderes Jubiläum. 100 Jahre ist es her, dass in der Gemeinde am Kreischberg zum ersten Mal Passionsspiele aufgeführt wurden. Zum Jubiläum gibt es eine Premiere: Erstmals übernimmt heuer eine junge Frau die Spielleitung.

In einem Ausnahmezustand befindet sich in diesen Tagen die Gemeinde St. Georgen am Kreischberg. Ab 23. Juli stehen wieder die traditionellen Passionsspiele auf dem Programm, die heuer besonders sind. Nicht nur, dass sie seit 1922 nachgewiesen werden können, also offiziell ihren 100. Geburtstag feiern: Erstmals übernimmt zudem mit Zoe Hauer eine junge Frau die Spielleitung. Und sie verpasst dem althergebrachten Spiel eine Frischzellenkur - freilich nah an der biblischen Vorlage.

Große Faszination
Hauer ist seit Kindertagen ein Fan der Passionsspiele in ihrem Heimatort. 2005 war sie noch Zuschauerin, dann aber stand sie regelmäßig selbst mitten im Geschehen. Auch jetzt, wo sie in Wien Theaterwissenschaft studiert, kann sie sich der Faszination nicht entziehen.

Zweitbesetzung für Jesus ist der erst 16-jährige Felix Wirnsberger (Bild: Kevin Geißler)
Zweitbesetzung für Jesus ist der erst 16-jährige Felix Wirnsberger

„Dass im klassischen Passionsspiel Frauenfiguren eher hintangestellt sind, stößt mir schon manchmal sauer auf“, erzählt sie und nützt heuer, wo sie die Fäden in der Hand hält, die Gelegenheit, ihnen mehr Sichtbarkeit zu geben. „Vor allem, weil Papst Franziskus Maria Magdalena bereits 2006 in den Apostelstand erhoben hat, was leider kaum jemand weiß.“

Regisseurin Zoe Hauer stärkt heuer die Frauen im Spiel. (Bild: Passionsspiele St. Georgen)
Regisseurin Zoe Hauer stärkt heuer die Frauen im Spiel.

Dass im Katholischen die Frauen immer noch als „sündig“ gelten, will sie in ihrer Arbeit thematisieren. Deshalb hat sie auch die von Frauen dargestellten sieben Todsünden als Gegenspieler ins Spiel gebracht.

Tradition und Innovation
All diese Neuerungen werden wieder am ursprünglichen Spielort vor der Kirche zu bestaunen sein. „Da bauen wir eine Brücke zwischen Tradition und Innovation“, sagt die Regisseurin.

Schon seit 100 Jahren bewegt das Passionsspiel die Menschen in St. Georgen (Bild: Passionsspiele St. Georgen)
Schon seit 100 Jahren bewegt das Passionsspiel die Menschen in St. Georgen
Passionsspiele St. Georgen (Bild: Passionsspiele St. Georgen)
Passionsspiele St. Georgen

Die Tradition reicht übrigens weiter zurück als nur die dokumentierten hundert Jahre. Bereits seit dem Mittelalter war es üblich, das Sterben Jesu in Szene zu setzen, um den Nicht-Lesekundigen die Passionsgeschichte nahe zu bringen. Der älteste erhaltene Text der Steiermark stammt aus St. Georgen und kann auf das Jahr 1828 datiert werden. Diesen Text nahm Matthäus Seidl als Grundlage, um die Passionsspiele nach dem Ersten Weltkrieg in seinem Heimatdorf wiederzubeleben.

Aufführung im 5-Jahres-Rhythmus
So gilt 1922 als Geburtsstunde der zuvor gut 40 Jahre nicht gezeigten Passion. Im Fünf-Jahres-Rhythmus wurden die Spiele bis 1937 aufgeführt, man konnte auch prominente Besucher wie den damaligen Bundespräsidenten Michael Heinisch begrüßen.

Seit 2010 erscheint der TEufel im Anzug (Bild: Passionsspiele St. Georgen)
Seit 2010 erscheint der TEufel im Anzug

Eine weitere Zäsur brachte der Zweite Weltkrieg. 1962 schließlich berichtete die „Neue Zeit“ über die aus der Gemeinde verschwundenen Passionsspiele. Aber erst 1996 wurde auf Betreiben von Klaus Sumann eine Belebung dieser Tradition wieder ernsthaft in Angriff genommen.

Wiederbelebung in den 1990er-Jahren
Der alte Text wurde mühsam aus der Kurrentschrift transkribiert und überarbeitet. Zwei Jahre später war es soweit: Mit Musik von Silvano Moro und in der Ausstattung von Gernot Jungmeier, der auch heute noch dafür verantwortlich zeichnet, spielten die St. Georgener Jesu Leidensgeschichte mit so viel Herzblut, dass der Erfolg nach weiteren Aufführungen verlangte.

Alle fünf Jahre wird seitdem gespielt, was stets einen Riesenaufwand für die Gemeinde bedeutet. Nur 2015 verschob man um zwei Jahre, um heuer im Jubiläumsjahr im Rhythmus bleiben und richtig loslegen zu können.

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