Im Nuklearfeuer

Fukushima: 50 Todgeweihte opfern sich für ihr Land

Ausland
16.03.2011 17:46
Todgeweihte als Helden. Tschernobyl vor 25 Jahren - und jetzt auch Fukushima. Zwei Städte, die in der unfassbaren Tragik eines drohenden Atom-Super-GAUs vereint sind. Wie einst im ukrainischen AKW die Hoffnungen auf den Zigtausenden "Liquidatoren" geruht hatten, die in den sicheren Tod der Nuklearhölle geschickt wurden, kämpfen nun 50 Japaner heldenhaft dagegen an, das Unvermeidliche doch noch abzuwenden oder zumindest hinauszuzögern.

Ständige Explosionen, Nachbeben, nukleare Brände, radioaktive Wolken und dazu die ständige Angst, dass die Atomruinen gemeinsam in die Luft fliegen. In Fukushima ragen die Ruinen der vier geborstenen Blöcke unheimlich, wie vier apokalyptische Reiter, in den Himmel.

Dennoch haben 50 von insgesamt 800 Technikern der Betreiberfirma Tepco (Tokyo Electric Power Company) nicht aufgegeben (im Bild Archivaufnahmen von Arbeitern im AKW Fukushima 1). Bei Tag und bei Nacht wagen sie sich in die Atomhölle vor. Zum Schutz tragen sie Kunststoffanzüge, Masken und Presslufttanks. Immer wieder tasten sie sich durch das Inferno in die Nähe des nuklearen Epizentrums vor. Ihre Arbeit kann von keinen Maschinen übernommen werden: Alle automatischen Ventile haben ihren Geist längst aufgegeben. Entlüftung der Druckkammern und Steuerung der Abkühlung mittels Wasser funktionieren praktisch nur noch händisch.

Arbeiter inmitten des Nuklearfeuers
Ein sogenanntes Dosimeter, das sie umgeschnallt haben, zeigt an, wie lange sich die "Helden" im Strahlenbereich noch aufhalten können. Ist die Dosis erreicht, heißt es: Nichts wie hinaus! Die Männer müssen in Sicherheit gebracht werden. Dann entscheiden Experten, ob die Profis noch einmal ins "nukleare Feuer" geschickt werden. Das Hauptproblem: Die Arbeiter können nicht beliebig gewechselt werden. Die Handgriffe, die sie verrichten, müssen geübt sein. Nur so kann eine weitere fatale Explosion verhindert werden.

Auch wenn die Betreiber die zulässigen Strahlenwerte von 100 auf 250 Millisievert nach oben revidiert haben, wissen alle japanischen Arbeiter, dass sie ihren Heldenmut mit schweren Krankheiten, wenn nicht sogar mit dem Leben bezahlen müssen.

Mit Staubmasken in den Tod geschickt
Vor 25 Jahren in Tschernobyl war die Lage ebenso prekär, doch keiner der Tausenden Liquidatoren ahnte, dass er mit Staubmasken (!) als Schutz in den Tod geschickt wurde. Noch während sich die Kernschmelze durch die Reaktorwand fraß, schaufelten die menschlichen Roboter verstrahltes Erdreich und zogen unter dem Containment eine Betondecke ein. Offiziell bezahlten 17.000 Liquidatoren ihren "Heldenmut" mit dem Leben. Die Dunkelziffer ist dreimal so hoch.

Wie strahlengefährdet sind die Helfer?
Ob und wie stark Schäden im Körper entstehen, hängt davon ab, wie lange, wie viel und welcher Art von Strahlung der Körper ausgesetzt ist. Experten gehen davon aus, dass eine Belastung von über 100 Millisievert Strahlung (ein Flug von Frankfurt nach Rom bedeutet drei bis sechs Millisievert Belastung) die Entstehung von Krebs fördert.

Davor müssen die Hilfsmannschaften unbedingt geschützt werden. Deswegen wird vor einem Einsatz die Strahlungssituation bestimmt. Bewegt sich z.B. eine radioaktive Wolke auf das Einsatzgebiet zu, werden die Helfer abgezogen. Katastrophenmanager Jürgen Högl vom Roten Kreuz: "Besteht eine geringe Gefährdung, wird die Hilfsmannschaft mit Strahlenwarngeräten sowie schützender Spezialausrüstung wie Maske, Kleidung, Hand- und Überschuhen ausgestattet, welche die Belastung auf ein Minimum reduzieren und nach dem Einsatz abgeworfen werden." Fahrzeuge werden abgedichtet und nach dem Einsatz gewaschen. Sind Personen kontaminiert worden, werden strahlende Partikel durch kräftiges Einseifen, Schrubben und gründliches Duschen abgewaschen.

von Christoph Matzl und Mark Perry, Kronen Zeitung

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