„Albtraum ist vorbei“

Trotz Corona gearbeitet: Freispruch für Pflegerin

Tirol
28.05.2021 07:00

Die betagten Schützlinge in der Nacht alleine lassen oder sie trotz eigener Corona-Infektion betreuen? Vor diesem schrecklichen Dilemma stand - wie berichtet - die Pflegedienstleiterin (32) des Marienheims im Tiroler Reith im Alpbachtal (Bezirk Kufstein). Wie der mitangeklagte Amtsleiter wurde sie nach 14 quälenden Monaten freigesprochen.

„Wenn man alle Fakten kennt, dann weiß man nun, warum Sie so gehandelt haben“, erläuterte Richterin Verena Offer den Freispruch. Die Pflegedienstleiterin schluchzte („Albtraum ist endlich vorbei“), der Amtsleiter reagierte mit stummer Erleichterung. Der Polizeieinsatz am 29. März 2020 und die spätere Anklage, Menschen vorsätzlich durch übertragbare Krankheiten gefährdet zu haben, war eine riesige Belastung.

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Unter den Bewohnern war ja auch eine Sterbende, bei der sonst niemand qualifiziert gewesen wäre, die notwendigen Spritzen gegen die Schmerzen zu verabreichen.

Verteidiger der Pflegerin

Verständnis auch bei Staatsanwältin
Selbst die Staatsanwältin räumte am Ende der fünfstündigen fortgesetzten Verhandlung ein, dass an jenem Sonntagabend weit und breit kein Personalersatz zu finden gewesen sei. Das Infektionsrisiko sei für die betagten Menschen letztlich das geringere Übel gewesen, als sie nachts dem eigenen Schicksal zu überlassen. „Unter den Bewohnern war ja auch eine Sterbende, bei der sonst niemand qualifiziert gewesen wäre, die notwendigen Spritzen gegen die Schmerzen zu verabreichen“, erinnerte der Verteidiger der Pflegerin.

Personal ausgelaugt
Kurzfristige Dienstplanänderungen als Option? Ein Arbeitskollege sagte als Zeuge aus, dass er nach wochenlangen Schichten von bis zu 18 Stunden selbst vollkommen ausgelaugt war. Insgesamt ergab sich ein erschütterndes Bild aus den Anfängen der Pandemie. Die vom Land damit beauftragte AZW-Pflegeausbildnerin sagte aus, dass sie stundenlang und großteils vergeblich Listen von Pflege-Aushilfen durchtelefonierte.

Ohne Symptome arbeiten
Andere Zeugen bestätigten, dass nicht einmal klar war, ob infizierte Pfleger ohne Symptome nicht doch arbeiten gehen sollten, damit das System nicht kollabiert.

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Diese prekäre Situation kann sich niemand vorstellen, der sie nicht selbst erlebt hat.

Der Bürgermeister als Zeuge

„Diese prekäre Situation kann sich niemand vorstellen, der sie nicht selbst erlebt hat“, sagte der Bürgermeister, ebenfalls als Zeuge geladen. Er schilderte sein verzweifeltes Ringen um eine Evakuierung des Marienheims, vier Personen wurden dann nach Kufstein bzw. Münster verlegt.

Das Beste versucht
Das Gericht gestand den Beteiligten letztlich zu, das Beste in der beispiellosen Lage versucht zu haben. „Wir haben ja nicht einmal Testabstriche für das Personal erhalten“, erinnerte die Dorfärztin als Zeugin. Beim rechtskräftigen Freispruch wurde juristisch betrachtet „entschuldigender Notstand“ schlagend. Nicht anders hätte der Hausverstand entschieden.

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