Album „My Wonderland“

Simone Kopmajer: Den Rhythmus in den Gliedern

Musik
30.06.2020 06:00

Über die Jahre hinweg hat sich die steirische Jazz-Sängerin Simone Kopmajer als die Genre-Stimme des Landes etabliert und sich international ins Rampenlicht gespielt. Das brandneue Album „My Wonderland“ war so schnell nicht geplant, ist aber der Corona-Krise geschuldet. Im Interview spricht die Steirerin mit uns über ihre musikalische Früherziehung, wie Jazz bei der Jugend ankommt und warum Volksmusik ein wichtiges Genre für sie ist.

(Bild: kmm)

Eigentlich wollte Simone Kopmajer das Jahr relativ gemütlich angehen und am Ende eine Weihnachts-CD herausbringen, doch dann kam Corona. So hat sie das bereits im Februar mit Jazz-Legende Terry Meyers aufgenommene Werk „My Wonderland“ kurzerhand spontan fertiggestellt, um es nun inmitten der „konzertfreien Zeit“ zu präsentieren. Als Geschenk an die Fans und wohl auch ein bisschen als Trost in einer Zeit, in der lebensbejahende Botschaften und gute Musik hilfreich sein können. Umgefallen ist die gebürtige Bad Ausseerin leider auch um ihren heiß ersehnten Auftritt in der Wiener Staatsoper im Zuge des „Jazz Fest Wien“, aber aufgeschoben ist bekanntlich nicht aufgehoben.

Kopmajer genoss väterlicherseits schon früh eine musikalische Erziehung, erlernte mit acht Jahren das Klavierspielen und eignete sich vier Jahre später auch das Saxofonspielen an. Die legendäre Jazz-Sängerin Sheila Jordan animierte sie dazu, sich auf den Gesang zu konzentrieren und wurde zu einer lebenslangen und wichtigen Mentorin für Kopmajer. Seit 2003 nimmt Kopmajer regelmäßig Alben auf, kooperiert mit unterschiedlichsten Künstlern und scheut sich nicht davor, Stilgrenzen zu übertreten. Sie ist Trägerin des Hans-Koller-Preises, tourte quer über die ganze Welt und ist besonders im asiatischen Raum ein international anerkannter Superstar. In Österreich gilt Kopmajer als die Jazzstimme schlechthin, was auch ihr neues Album „My Wonderland“ eindrucksvoll beweist. Dort vermischt sie Jazz mit Bossa Nova und Latin-Rhythmen, stellt Eigenkompositionen Coversongs von Duke Ellington, Jobim oder Santana gleich. Wir trafen die sympathische Steirerin zum Gespräch.

„Krone“: Simone, aufgrund der Corona-Pandemie gab es für dich ein Konzert im Keller von Schallter Records als den geplanten Auftritt im Zuge des „Jazz Fest Wien“ in der Wiener Staatsoper…
Simone Kopmajer:
Das war ja nur eine kleine Signierstunde und eine kleine Präsentation von drei Songs mit Martin Spitzer an der Gitarre. Die Staatsoper wäre natürlich das große Highlight gewesen, ganz klar. Am 4. Juli gibt es aber eine wunderbare Präsentation im Wiener Porgy & Bess, wo zumindest ein bisschen Publikum dabei sein darf und außerdem wird das Konzert gestreamt. Die Hoffnung auf die Staatsoper bleibt wohl auch 2021 bestehen. (lacht)

Wie hast du die letzten drei Monate überstanden?
Ich war eigentlich sehr produktiv. Es war eine große Umstellung, nicht mehr so viel unterwegs gewesen zu sein, aber es war auch befreiend einfach einmal nix zu tun und sich erden zu können. Ich habe bemerkt, wie wenig ich brauche und wie wichtig die Natur für mich war. Es ist wichtig, Ruhe zu finden und aus dem Hamsterrad auszubrechen. Einmal nicht zwischen Terminen hin- und herzulaufen war sehr angenehm. Ich habe viele neue Songs geschrieben, an der Platte „My Wonderland“ gearbeitet und mich gleich im März entschieden, das Album jetzt rausbringen zu wollen. Es ist ein kleines Zuckerl für meine Fans. Die Songs bestehen vornehmlich aus Bossa Nova oder Samba, die gut in die jetzige Zeit passen. Man sollte den Menschen jetzt Leichtigkeit und Fröhlichkeit vermitteln.

Viele Künstler wählten bewussten den gegenteiligen Weg und haben Veröffentlichungen absichtlich verschoben. Natürlich auch in der Hoffnung, sie später besser live präsentieren zu können.
Ich habe mich bewusst dafür entschieden, den Release nicht zu verschieben. Viele Menschen wie die Musiker, Grafiker und auch die Presswerke hängen da dran. Die Leute besinnen sich jetzt auch mehr auf Musik. Sie haben mehr Zeit und auch Konzentration, Musik wahrzunehmen und sie zu hören. Auch das Vinylhören wird wieder populärer. Man setzt sich daheim in Ruhe hin, trinkt vielleicht ein Glas Wein und legt bewusst eine Platte auf. Das sollte man allgemein viel öfter machen.

Konsumierst du Musik selbst auch anders, nachdem die Pandemie auch Gewohnheiten von dir verändert hat?
Ich habe mir selbst viel mehr Videos und Konzerte von anderen Künstlern angeschaut. Normal fehlt mir dafür die Zeit. Ich habe mich eher auf meine Familie und meine CDs konzentriert, aber das Konzertebesuchen kam immer zu kurz. Ich habe jetzt einfach DVDs geschaut und mir viel mehr Zeit dafür genommen.

Du hast „My Wonderland“ schon vor Corona mit dem großen Terry Myers eingespielt, aber die Veröffentlichung sollte ursprünglich erst viel später sein.
Das stimmt. Eigentlich war es eventuell für 2021 geplant, aber das eine ergab das andere und so haben wir es jetzt in der Hand.

Myers hat im Laufe seiner Karriere mit Jazzgrößen wie Ray Charles oder Natalie Cole zusammengearbeitet. Wie hat sich eure Beziehung zueinander in den letzten Jahren entwickelt?
Eigentlich sind wir mittlerweile gute Freunde. Im Februar haben wir in den USA getourt und dort habe ich bei ihm gewohnt. Wir haben immer zusammen gegessen. Er ist aber auch ein großes Idol für mich, denn wenn ich Fragen habe oder unsicher bin, dann rufe ich ihn an und frage um Rat. Wir befinden uns aber auf gleicher Augenhöhe. Er ist sehr respektvoll, gibt Songvorschläge, schaut, wie wir uns weiterentwickeln können und lädt mich oft dazu ein, in den USA zu spielen. Dort gibt es wirklich viele gute Sängerinnen und es ehrt mich sehr, dass er da an mich denkt.

Die USA begleiten dich schon zeit deines Lebens. Als Jazzsängerin hättest du dort wahrscheinlich noch einmal ein ganz anders Standing als hier. War es nie ein Thema, dorthin zu ziehen?
Anfangs dachte ich, ich würde nach New York ziehen, aber mir war die Stadt zu schnelllebig. Eine Ausseerin in New York - da hätte die Umstellung zu lange gedauert. (lacht) Die Zeit dort war sehr inspirierend, aber ich möchte gerne in Österreich sein. Ich schätze unser Land, unsere Kultur und unsere Kulinarik einfach viel zu sehr. Ich bin glücklich darüber, wie sich die Dinge entwickeln. Auch das Streaming, denn man kann überall auf der Welt sitzen und was hochladen und man kann - wie in meinem Fall - dann plötzlich im fernen Japan auf Platz eins kommen, obwohl keiner weiß, wo ich eigentlich gerade bin.

„My Wonderland“ ist eine Mischung aus ein paar Eigenkompositionen und Cover-Songs von Größen wie Duke Ellington oder Antonio Carlos Jobim. Wie passt das alles zusammen?
Die Melodie muss in erster Linie passen. Sie muss mich gleich bei den ersten Takten mitreißen. Dann weiß ich sofort, dass ich mit der Nummer machen, was ich will. Als Ballade, Swing oder Up-Tempo. Coverversionen müssen schon meine Identität eingeflochten haben, denn sonst würde das Vorhaben keinen Sinn machen. Ich muss immer meine Note einbringen. Wenn Message und Melodie passen, kann ich fremde Songs wirklich gut umwandeln. Das mit den eigenen Songs und bereits vorhandenen Klassikern zu kombinieren, macht wirklich Spaß. Das große Ziel war es, einen Bogen zu spannen, der etwas Rundes ergibt und das ist mir gut gelungen.

Hängt die Auswahl der Coversongs manchmal auch mit Erinnerungen aus deiner Kindheit zusammen oder sind das Nummern, die dich aus bestimmten Gründen besonders ansprechen?
Mein Papa ist auch Musiker und wir haben daheim seine Platten von Ella Fitzgerald, Louis Armstrong und Ray Charles gehört. Auch Barry White war dabei, was etwas kommerzieller ist. Die Covers aus dieser Zeit kenne ich von Kindestagen her gut und ich mag sie einfach gerne. Da gefällt es mir dann auch, sie für meine Versionen heranzuziehen.

Spielt der Albumtitel darauf an, dass du hier dein persönliches musikalisches Wunderland gefunden hast?
Es ist wie ein Spielfeld für mich. Ich liebe es, wie die Musik sich entwickelt hat. Daher ist es sicher mein musikalisches Wunderland und gerade in Zeiten wie diesen will ich mir das auch bilden. Ich kann am besten für mich Musikmachen und darauf habe ich mich konzentriert. Ich habe mich auf mich, meine Stärken und meine Familie besonnen und dadurch versucht, alles andere ein bisschen auszublenden.

Neben Bossa Nova und Samba ist natürlich auch viel Jazz auf dem Album zu vernehmen. Wie passen diese beiden unterschiedlichen Welten für dich zusammen?
Für mich geht das alles Hand in Hand. Zum Jazz-Repertoire gehören auch Songs wie „So Danco Samba“ dazu, die genauso Klassiker sind. Wir wollten kein richtiges Latin- oder Bossa-Nova-Album machen, sondern ein bisschen die Grenzen sprengen. Das Fundament sollte so klingen, aber das Endergebnis sollte einfach in die heutige Zeit passen.

Du hast selbst sehr jung gewusst, dass du im Jazz zuhause bist und dich diese Musikrichtung am meisten reizt. Für junge Menschen ist das meist immer noch eine sehr abstrakte Musik. Willst du ihnen den Jazz auch näherbringen?
Unbedingt. Ich merke immer stärker, dass Leute zu mir kommen und Unterricht oder einen Workshop machen wollen. Was passiert, wenn ich fertigstudiert habe? Wie komme ich zu Konzerten? Wenn ich anderen bei solchen Fragen mit meiner Erfahrung helfen kann, gibt mir das ein gutes Gefühl. Auch mir wurde geholfen, in der Szene Fuß zu fasse. Wenn ich heute Leute treffe, die einen Rat von mir bekommen haben und sich daran hielt und damit Erfolg haben, erfüllt mich das mit großer Zufriedenheit. Oft reicht ein einziger Mensch, der dir die Richtung vorgibt und wie ein Mentor wirkt. So war es bei mir mit Sheila Jordan. Meine Eltern wollten unbedingt, dass ich klassisches Klavier studiere, was ich auch machte. Daneben studierte ich aber auch Gesang an der Jazz-Uni und irgendwann musste ich mich entscheiden, wo die Reise hingehen soll. Ich habe Sheila dann auf ihrem Weg zum Flughafen gefragt, was ich tun sollte. Und sie, als meine damalige Lehrerin, hat mir dann gesagt: „You are not a pianist, you are a true Jazz-singer“. Das war für mich der zündende Moment. Ich hatte das Gefühl, dass ich jetzt meine Bestimmung gefunden hätte.

Du hast eben Klavier und Gesang studiert, viele andere eben nicht und haben auch Karrieren gemacht. Die sagen oft gerne, zu viel Theorie und Studium würden das Spontane und Unmittelbare zerstören. Wie siehst du das?
Es ist super, wenn man eine gewisse Technik entwickelt, aber oft steht man sich ein bisschen selbst im Weg, wenn man jeden Ton zu stark überdenkt. Es ist sicher klüger, die Dinge von der Leber weg anzugehen. In der Theorie ist es wichtig, das Gerüst zu beherrschen, aber beim Improvisieren sollte man sich am besten tausende Aufnehmen und sie transkribieren. Das ist sicher klüger, als es wie aus einem Schulbuch abzulesen. Aber Jazz ist an sich spontan. Die Leute haben damals einfach drauflosgespielt und wir sollten es nicht zu sehr verkomplizieren. Einfach tun, das ist immer noch das Beste, nur den Background sollte man schon haben. Die Studenten heute sind nach dem Abschluss am Klavier so fit. Sie begleiten sich selbst und haben viel mehr Wissen.

Würdest du deine Form von Jazz und Latin-Rhythmen künftig gerne weiter mit anderen Genres kombinieren? Ist da auch schon was geplant?
Ich habe für Venus Records in Japan ein Album aufgenommen, auf dem Klassiklieder von Bach, Liszt oder Tschaikowsky mit englischen Texten von mir auf Jazz interpretiert wurden. Der „Blumenwalzer“ im Fünf-Viertel-Takt etwa und das hat toll funktioniert. Jetzt möchte ich für das nächste Album etwas mit Volksmusik probieren, aber da will ich noch nicht zu viel verraten.

Siehst du Volksmusik schon als Volksmusik per se, oder kann man sich da auch eine Schlager-Kombination darunter vorstellen?
Nein, das ist schon Volksmusik an sich. Ich hätte gerne so richtige Bradl-Musik. Die Alteingesessenen, etwas richtig Uriges.

Eigentlich war statt „My Wonderland“ zum Ende des Jahres hin eine Weihnachts-CD geplant. Daran hat sich nichts geändert?
Ja, die kommt und da möchte ich aber die Volksmusik-Kooperation schon draufpacken. Bei österreichischen Weihnachtsliedern passt eine Jazzband mit Volksinstrument sicher gut drauf. Das könnte sehr heiß werden. (lacht)

Hört Simone Kopmajer auch aktuelle Strömungen wie Gangsta-Rap?
Aktuelle Strömungen schon, Gangsta-Rap jetzt vielleicht weniger. (lacht) Ich höre mir alles an, was neu ist. Ich will wissen, was en vogue ist, wo sich Dinge hinbewegen und junge Musik inspiriert mich. Es ist wichtig, dran zu bleiben du zu schauen, was rundum um einen so alles passiert.

Worauf darf man sich am 4. Juli bei deinem Konzert im Wiener Porgy & Bess genau freuen?
Wir haben mit Wolfgang Puschnig einen großen Stargast. Über ihn braucht man wohl nicht mehr viel sagen, da er DER international bekannte, österreichische Saxofonist ist. Durch das Streamen kann man das Konzert auch erstmals von mir rundum sehen. Anfangs stand ich der Idee etwas skeptisch gegenüber, aber jetzt freue ich mich wirklich darauf. Ich habe das noch nie gemacht und bin gespannt, ob ich das auch wirklich anders erlebe. Aber es sind ohnehin rund 90 Leute live dabei, also wird es für mich schon ein normales Konzertfeeling sein.

Das Konzert von Simone Kopmajer & Band samt Wolfgang Puschnig im Wiener Porgy & Bess ist leider restlos ausverkauft. Weltweit kann man aber per Stream teilnehmen. Und zwar am Konzerttag, 4. Juli, ab 20 Uhr unter www.porgy.at

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