Nachtschicht im Salon

Um 1.44 Uhr hatte Hilde die Haare wieder schön

Tirol
02.05.2020 11:00

Die 700 Tiroler Friseure legen wieder los. Die „Krone“ besuchte den Salon „Chaarisma“ in Innsbruck, wo am 1. Mai um punkt 0 Uhr die Tür aufging. Die Chefin und ihre Kundinnen feierten die neue Freiheit auf besondere Weise.

Der 1. Mai, 0 Uhr. Die Stadt schläft. Keine Lokale offen, keine Nachtschwärmer unterwegs. Innsbruck wie ausgestorben. Nicht ganz! In Wilten huschen zwei Frauen mit Schildkappe durch die Nacht und verschwinden unter den Arkaden in der Mentlgasse. Ihr Ziel: Der Friseursalon „Chaarisma“ von Doris Kirchebner. Die Chefin begrüßt ihre langjährigen Kundinnen herzlich, wenn auch mit gebotenem Abstand.

Friseure schneiden das Absperrband durch
Nach sieben Wochen Stillstand kann die Friseurin nicht mehr stillhalten - und die Frauen wollen nicht mehr warten. Kirchebner hat mit ihrer durch eine Sonderregelung legitimierte Mitternachtseinlage das Absperrband für die 700 Tiroler Friseure durchschnitten. Symbolträchtig am 1. Mai, dem Tag der Arbeit. Auch andere „Locken-Wickler“ und „Haar-Glätter“ öffneten bereits am Freitag, bevor am Samstag alle Kollegen wieder loslegen.

Ein Versprechen, dass alles wieder gut wird
„In normalen Zeiten komme ich zumindest einmal im Monat. Es ist wie eine Wellnessauszeit bei Doris.“ Stammkundin Hilde Stattmann drückt aus, was Frauen auf der ganzen Welt mit einem Friseurbesuch verbinden. Haare färben, Spitzen schneiden - das ist mehr als Kosmetik. Das sind Streicheleinheiten für die Seele. Das spürt man trotz Sicherheitsabstand. Der erste Friseurbesuch sei wie ein Versprechen, dass alles wieder gut werde, beschreibt Kundin Iris Kraßnigg ihre Beweggründe für die mitternächtliche Sitzung. „Als klar war, dass wir Anfang Mai wieder starten, stand mein Telefon kaum still. Ich hab die doppelten Anfragen, kann derzeit aber nur die Hälfte der Kunden aufnehmen.“ Eine Herausforderung, wie Dauerwelle auf einem Glatzkopf. Doch ihre Kundinnen wissen: die Doris schafft auch das.

Nicht jeder wird die Krise überstehen
Draußen schläft die Stadt, drinnen nimmt die Chefin die doppelten Distanzen zwischen den Damen tänzelnd. Sie färbt, wäscht, schneidet, föhnt mit Leichtigkeit und Grazie. „In den vergangenen Wochen hatte ich oft Kreuzweh. Jetzt spüre ich nix. Bei der Arbeit geht’s mir gut.“ Kirchebner ist optimistisch, dass ihr kleines Unternehmen die Krise überstehen wird. Sie ist realistisch genug zu wissen, dass das nicht alle schaffen werden.

Mittlerweile ist es 1.44 Uhr. Hilde Stattmann lächelt ihre Spiegelbild an. Jetzt ist sie wieder sie selbst. Jetzt hat sie die Haare wieder schön. Draußen ist es stockdunkel. Aber drinnen sehen alle den Lichtstreif am Horizont. Wie eine blonde Strähne, frisch gefärbt.

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