3 Wochen Türkis-Grün

Start gelungen, Flughöhe noch nicht erreicht

Medien
27.01.2020 16:55

Familienministerin Christine Aschbacher ist mit dem Flixbus nach Wien gefahren, Innenminister Karl Nehammer möchte seinen Beamten ein „Kamerad“ sein und Integrationsministerin Susanne Raab „Frauenpolitik mit Herz und Hausverstand“ machen. Was die Mitglieder der neuen Regierung in den ersten Wochen so von sich gegeben haben, zeichnet ein Sittenbild nach dem Ibiza-Erdbeben. Was hat die neue Regierung für die Kommunikation aus dem desaströsen Ende der Vorgängerregierung gelernt, und wie ist sie in die neue Legislatur gestartet? Kommunikationswissenschaftler Josef Trappel analysiert für krone.at.

Eines kann man der neuen Regierung nicht vorwerfen: Dass sie sich zu wenig um ihre öffentliche Präsenz kümmert. Interviews im ORF, im Privatfernsehen, im Internet-Fernsehen, im Radio und in den Zeitungen und Online-Medien. Gemessen an der kurzen Zeit im Amt ein beachtlicher Einsatz für die Öffentlichkeitsarbeit. Eine Überzeugung hat den Regierungswechsel offenbar überlebt: Politik machen ist gut, darüber sprechen noch besser.

Von der schwarz-blauen Öffentlichkeitsarbeit ist vor allem der Versuch in schlechter Erinnerung, die gesamte Regierungskommunikation möglichst zentral zu kontrollieren. Dass das einer modernen Demokratie unwürdig ist und ihr schadet, hat die neue Regierung begriffen. Oder doch nicht? Ein Blick auf die gesammelten Interviews der Regierungsmitglieder der ersten drei Wochen stimmt zunächst positiv: Die Regierungsmitglieder wirken frisch, sie sind jung, motiviert und zeigen persönliche Begeisterung für ihre neue Aufgabe. Dass mehr Frauen als Männer der Regierung angehören poliert das positive Image weiter auf.

Persönlichkeiten verblassen hinter Floskeln
Wer genauer hinschaut, erkennt allerdings hartnäckige Überreste der „kontrollierten Kommunikation“. Wenn Finanzminister Gernot Blümel dafür sorgen will, dass die Menschen „wieder mehr im Börserl haben“, wirkt das wie ein farbloser Stehsatz. Ebenso, dass Europaministerin Karoline Edtstadler nicht müde wird zu beteuern, dass sie „für Europa brenne“ und „stolz und demütig“ sei, und „um ihre Verantwortung weiß“. Auch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner kann schöne, aber substanzlose Sätze aufsagen: „Ich werde das umsetzen, was sich die Bevölkerung von einer Ministerin erwartet“, sagt sie. Hinter solchen Floskeln verblassen die Persönlichkeiten. Bei den Bürgerinnen und Bürgern hinterlassen sie vor allem Fragezeichen.

Conny Bischofberger hat sämtliche neuen Minister und Ministerinnen zum persönlichen Gespräch getroffen - alle Interviews finden Sie hier.

Vielleicht sind die Grünen von zu vielen Rhetorikschulungen und Interviewtrainings verschont geblieben. Justizministerin Alma Zadić, und erst recht Vizekanzler Werner Kogler, wirken authentisch, verstolpern auch einmal einen Satz oder eine Aussage, kommen dann aber doch zum Punkt. So weiß Zadić, was sie zuerst anpacken will („kürzere Verfahren“), und Sozialminister Rudolf Anschober hält eindeutig fest, was die Grünen in der Integrationspolitik von den Türkisen unterscheidet („Asylwerbern eine Chance geben“). Nur Superministerin Leonore Gewessler hält sich auffallend zurück, obwohl in ihrem Ressort die wirklich kontroversen Themen wie Verkehr und Energie liegen. Immerhin beim Klima wird die Ministerin konkret: Nicht „Klimawandel“ sei das Thema sondern „Klimakrise“.

Kanzler bleibt sich und seinem Stil treu
Und der Bundeskanzler selbst? Er bleibt sich und seinem Stil treu. Unbedachtes oder Persönliches sind von ihm nicht zu vernehmen. Dafür aber auch keine verbindlichen Ansagen, an denen er später gemessen werden könnte. Sebastian Kurz scheint sich selbst der effizienteste „Message Controller“ zu sein.

In den ersten drei Wochen haben die Regierungsmitglieder mit großem Eifer den Nachweis angetreten, dass sie ihre Aufgaben ernst nehmen. Wenn sie ihr Motto „Aus Verantwortung für Österreich“ (Titel des Regierungsprogramms) einlösen wollen, müssen sie bei ihren öffentlichen Auftritten bei der Verbindlichkeit und beim Gehalt ihrer Aussagen noch deutlich zulegen. Dafür bleiben ihnen noch 257 Wochen Zeit.

Professor Josef Trappel, Universität Salzburg

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