Immunitäts-Urteil

Berlusconi wittert Verschwörung des Präsidenten

Ausland
08.10.2009 08:31
Nach der Aberkennung seiner Immunität durch ein Gericht schlägt Italiens Ministerpräsident Berlusconi jetzt zurück. Am Mittwochabend unterstellte er Staatspräsident Giorgio Napolitano, das Urteil gegen ihn initiiert zu haben. "Jeder weiß, auf welcher Seite der Präsident steht", sagte ein sichtlich gereizter Berlusconi.

Der Präsidentenpalast ließ den Vorwurf nicht lange unkommentiert: "Jeder weiß, auf welcher Seite der Präsident steht. Auf der Seite der Verfassung, und er übt seine Funktionen mit absoluter Unparteilichkeit aus", so die scharfe Reaktion.

"Was der Präsident sagt, interessiert mich nicht"
Berlusconis wenig staatsmännische Erwiderung, es interessiere ihn nicht, was der Staatschef erkläre, sorgte bei der Opposition für Proteste. Solche Äußerungen seien in anderen Ländern unmöglich "und waren es bis vor einigen Jahren auch in Italien", sagte der Generalsekretär der Demokratischen Partei, Dario Franceschini. Berlusconis Verhalten sei vollkommen "unverantwortlich".

Das Verhältnis des rechten Regierungschefs zu Napolitano ist seit jeher äußerst schwierig gewesen. Der 84-Jährige kämpfte einst gegen die Faschisten und trug maßgeblich dazu bei, dass die italienischen Kommunisten sich zu einer sozialdemokratischen Partei wandelten.

Immunitätsregelung von 2008 für ungültig erklärt
Das Verfassungsgericht hatte am Mittwoch eine bisher geltende Immunitätsregelung für verfassungswidrig erklärt, die von Berlusconis Regierung im Juli 2008 verabschiedet worden war. Berlusconi muss nach dem Urteil mit der umgehenden Wiederaufnahme von zwei Korruptionsverfahren rechnen.

Laut den 15 Richtern ist das umstrittene Immunitätsgesetz rechtswidrig, weil es nicht ausreiche, eine Immunität gegen Strafverfolgung mit einem einfachen Gesetz festzuschreiben. Dies müsse laut Gericht schon in der Verfassung mittels Zweidrittel-Mehrheit verankert werden. Das Immunitätsgesetz verstoße außerdem gegen den Gleichheitsgrundsatz, gaben die Richter am Mittwoch nach zweitägigen Beratungen bekannt.

Das Verfassungsgericht war vom Mailänder Staatsanwalt Fabio De Pasquale eingeschaltet worden, der den ausgesetzten Korruptionsprozess gegen Berlusconi geführt hatte. Dem Rechtsanwalt Berlusconis, Gaetano Pecorella, blieb am Mittwoch nur mehr zu betonen, dass das Urteil der Verfassungsrichter "keine politischen Auswirkungen" für die Regierung haben werde. "Nach dem Urteil können lediglich die Prozesse gegen Berlusconi wieder eröffnet werden", so Pecorella. Doch genau das wollte Pasquale erreichen.

Oppositionspartei fordert Rücktritt
Der Fraktionschef der Oppositionspartei "Italien der Werte" (IDV), Massimo Donadi, verlangte am Mittwoch Berlusconis Rücktritt. "Das Verfassungsgericht hat nicht nur das Immunitätsgesetz, sondern eine Mehrheit abgelehnt, die seit 15 Jahren mit Arroganz und ohne Rücksicht auf die Institutionen im Parlament offenkundig rechtswidrige Gesetze verabschiedet, um Berlusconi Straffreiheit zu gewähren", erklärte Donati.

Das Immunitätsgesetz war trotz des heftigen Widerstands der Opposition im Juli 2008 im Parlament durchgepeitscht worden. Dem skandalgeschüttelten Berlusconi blieb somit bisher die Wiederaufnahme einiger Verfahren erspart, die nach dem Urteil der Verfassungsrichter wieder geöffnet werden sollten. In einem besonders aufsehenerregenden Prozess müsste sich der 73-Jährige in Mailand wegen Beeinflussung von Justizbehörden verantworten.

Bestechung und Korruption
Der Medienunternehmer Berlusconi muss sich im Pasquale-Prozess wegen des Vorwurfs verantworten, er habe dem britischen Juristen David Mills 1997 einen Betrag von mindestens 600.000 Dollar (410.509 Euro) gezahlt. Dafür hat Mills angeblich in zwei früheren Verfahren bewusst falsche Aussagen gemacht. Mills, der Ex-Mann von Tessa Jowell, der britischen Ministerin für die Olympischen Spiele in London 2012, ist gemeinsam mit Berlusconi angeklagt.

Berlusconi stand schon mehrfach wegen Korruption vor Gericht. Bisher wurde er entweder freigesprochen oder das Verfahren wurde wegen Verjährung eingestellt. Bereits 2004 war ein Immunitätsgesetz vom Verfassungsgericht gekippt worden, das eine frühere Regierung Berlusconis verabschiedet hatte.

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