In einer Welt, in der Außenpolitik zunehmend wie ein Kommentarbereich im Internet geführt wird – laut, empört und selten informiert –, scheint der Fall Nigeria geradezu exemplarisch. US-Präsident Donald Trump droht einem souveränen Staat mit militärischer „Vollwucht“, begründet mit dem Schutz verfolgter Christen. Eine tragische Realität wird dabei auf eine schlichte Held-und-Schurke-Erzählung reduziert. Und prompt fragt man hierzulande: Was geht uns das an? Mehr, als uns vielleicht lieb ist. Nigeria ist das bevölkerungsreichste Land Afrikas, wirtschaftlicher Motor Westafrikas und zugleich Schauplatz terroristischer Gewalt, Ressourcenkonflikte und staatlicher Schwäche. Die Ermordung von Christen – und auch von Muslimen – ist Realität. Doch wer dieses komplexe Gefüge auf ein religiöses Schlachtfeld reduziert, betreibt politische Vereinfachung, keine Friedenspolitik. Die Geschichte zeigt: Militärische Interventionen ohne Verständnis, Strategie und internationale Einbettung schaffen selten Sicherheit. Sie erzeugen Vakuum, Radikalisierung und langfristige Instabilität. Und Europa? Wir können uns nicht hinter geografischer Bequemlichkeit verstecken. Instabilität in Westafrika bedeutet Terrornetzwerke, Migrationsdruck, wirtschaftliche Schockwellen und geopolitische Räume, die andere Mächte füllen. Europa kann da nicht einfach wegschauen, denn Außenpolitik endet nicht am Mittelmeer. Es geht nicht darum, Washington zu belehren oder Nigeria zu bevormunden. Sondern darum, nüchtern zu erkennen: Frieden entsteht nicht aus Ultimaten, sondern aus Diplomatie, Partnerschaft und Unterstützung vor Ort. Wenn wir unsere Werte ernst nehmen – Religionsfreiheit, Menschenwürde, Stabilität –, dann müssen wir sie leise verteidigen, aber konsequent. Nicht mit martialischen Parolen, sondern mit Beharrlichkeit, klaren Standards und internationaler Zusammenarbeit. Wahre Verantwortung bedeutet, nicht erst zu reagieren, wenn die Welt brennt, sondern wenn die ersten Funken sichtbar werden. Für Nigeria. Für Europa. Und für die Glaubwürdigkeit einer Außenpolitik, die mehr sein will als moralische Rhetorik auf Abruf.
John Patrick Platzer, Viktring
Erschienen am Mo, 3.11.2025
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