Das Grazer Theater im Bahnhof seziert in seiner aktuellen Produktion „Herbstfest auf dem Lande“ im TiB-Quartier Zusammenhalt, Traditionen und Verdrängung im familiären Gefüge. Eine messerscharfe Analyse, perfekt gespielt.
Der Patriarch wird 80, und seine vier erwachsenen Kinder richten eine WhatsApp-Gruppe ein, um die Feier zu organisieren. Schon da treten erste Spannungen aus meist verdrängten Verletzungen auf, bei einem Treffen mehren sie sich und beim Fest eskalieren sie schließlich ganz.
Familiendrama mit Biedermeier-Anklängen
Die neue TiB-Produktion „Herbstfest auf dem Lande“ ist eigentlich ein gestandenes Familiendrama mit Anknüpfungspunkten an Thomas Vinterbergs Film „Das Fest“ und biedermeierlichen Anklängen à la Adalbert Stifter. Aber natürlich setzt die Truppe dieses Setting nicht eins zu eins in Szene.
Vielmehr basteln Juliette Eröd, Gabriela Hiti, Martina Zinner, Lorenz Kabas, Jacob Banigan und Frans Poelstra (Letzterer zeichnet mit Monika Klengel auch für die Regie verantwortlich) daraus eine Hörspiel-Aufnahme im Studio, deren Ergebnis im zweiten Teil auch noch choreografiert wird.
Verlogenheit und Verdrängung
In salbungsvollem Ton, ein biedermeierliches Idyll beschwörend, wird hier das „gute alte“ Familienbild - der Vater bringt das Geld und das Prestige nach Hause, der Rest kuscht und gehorcht - mit der feinen Klinge dekonstruiert und Schicht um Schicht in seiner Verlogenheit bloßgestellt. Seltene Momente, in denen die Wahrheit ausgesprochen wird, werden schnell wieder von rosig gefärbten Erinnerungen zugedeckt. Selbst nach der Eskalation bleibt letztlich alles beim Alten, und man kreist schnell wieder in gewohnten Bahnen. Obwohl: Einer wagt den Ausbruch. Ob der gelingt, bleibt fraglich.
Mit seinem „Herbstfest“ liefert das TiB einmal mehr eine scharfe, perfekt aufbereitete Analyse, hervorragend gespielt und mit einer guten Prise Humor. Alle Infos und Karten bekommt man hier.
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