Gelungener Saisonauftakt am Grazer Schauspielhaus mit der Uraufführung von Christiane Karoline Schlegels „Von einem Frauenzimmer“ aus dem Jahr 1778. Andrea Vilter beginnt ihre Intendanz mit einer aufregenden Produktion.
Kein bürgerliches Trauerspiel um eine skandalöse Dreiecksbeziehung, sondern eiskalte männliche Gewalt zeigt das Grazer Schauspielhaus mit der Uraufführung eines 245 Jahre alten Stücks. Das Besondere an „Von einem Frauenzimmer“: Es stammt aus der Feder Christiane Karoline Schlegels, einer heute weitgehend unbekannten Autorin, die schon von ihren Zeitgenossen Goethe und Schiller nur milde belächelt worden ist.
Der erweiterte klassische Kanon
Wie falsch die Dichterfürsten damit lagen, beweist die faszinierende Produktion, mit der Andrea Vilter ihre Intendanz einläutete. Dass sie dabei auch als Dramaturgin fungiert, unterstreicht ihr Anliegen, den klassischen Kanon zu erweitern und neue Perspektiven aufzutun.
Gänsehautmomente
Diese Perspektiven schält Regisseurin Anne Lenk mit feiner Klinge aus dem Text. In der eingekürzten Version wirken einzelne Zeilen erschreckend aktuell. Mit „Sieh, wohin du mich bringst“ der Frau die Schuld an der gegen sie ausgeführten Gewalt zuzuschieben, erzeugt Gänsehaut in einem Jahr, das bereits 17 Femizide verzeichnet. Doch Lenk erzählt mehr: In eingeschobenen Passagen wird die Sichtbarkeit von Frauen ebenso angesprochen wie die Übertragung von Geschlechternormen über Generationen hinweg.
Beeindruckendes Ensemble
Judith Oswalds enger roter Bühnenraum betont die schwelende Aggression, das sanfte Lila der Kostüme (Sibylle Wallum) wirkt da wenig beruhigend. Auch die harten Blackouts und der beklemmende Sound (Camill Jammal) beschleunigen die Spirale der Gewalt. In der dreht sich das Ensemble mit Verve. Allen voran die Protagonisten des Liebesdreiecks: Sarah Sophia Meyer als betrogene Ehefrau, die in jedem Moment Größe zeigt, Marielle Layher, die gekonnt zwischen naiver Hingabe und selbstbewusster Jugend changiert, sowie Simon Kirsch, der dem gefährlichen Psychopathen im Laufe des Abends immer mehr Raum gewährt. Anna Klimovitskaya als verunsicherter Sohn, sowie Annette Holzmann und Željko Marović als Ratgeber setzen starke Akzente.
Ein Abend voller Entdeckungen und Versprechungen - bitte mehr davon!
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