Die Tiroler Behörden kämpfen derzeit gegen ein besorgniserregendes Phänomen, das auch in anderen Bundesländern zu beobachten ist. Eltern melden ihre Kinder von der Schule ab und brechen dann den Kontakt ab. Die Spur führt tief ins Umfeld der sogenannten Staatsverweigerer.
Was tun, wenn Eltern ihre Kinder von der Schule abmelden und dann einfach nicht mehr greifbar sind und keine der vorgeschriebenen Prüfungen abgelegt wird? Diese heikle Frage beschäftigt Tirols Behörden. 35 Tiroler Kinder sind quasi aus dem Schulsystem verschwunden. Keiner weiß, wie es um ihre Bildung steht.
Trend aus Corona-Zeit treibt gefährliche Blüten
Worum geht es: Häuslicher Unterricht erfuhr in der Corona-Zeit einen Boom. Österreichweit wurden 7500 Kinder privat unterrichtet, in Tirol 450. Das Recht darauf ist über die Verfassung garantiert. Mittlerweile ist der Trend etwas abgeflacht. Wie berichtet, wurden im Vorjahr 330 Tiroler Kinder von der Schule abgemeldet. Laut Bildungsdirektion sind 70 während des Schuljahres wieder zurückgekehrt, weil privater Unterricht eben doch nicht so einfach zu organisieren ist.
Es ist nicht unser Ziel, Eltern zu bestrafen, sondern den Kindern Bildungschancen zu sichern. Wir fürchten, dass die betroffenen Schüler den Anschluss verlieren.
Paul Gappmaier, Bildungsdirektor für Tirol
Kinder wurden nicht zu den vorgeschriebenen Prüfungen gebracht
Wer sein Kind daheim unterrichtet, musste es am Ende des Jahres zu einer Feststellungsprüfung bringen. So wird erhoben, ob alles passt. Dazu kommt heuer eine neue Auflage: ein Reflexionsgespräch am Beginn des zweiten Semesters. Doch bei keinem dieser Termine wurden jene 35 Kinder gesichtet, deren Eltern derzeit den Staatsapparat beschäftigen. Bildungsdirektion, Bezirkshauptmannschaften, Jugendwohlfahrt, Ministerium sind bereits alarmiert.
„Wir machen uns große Sorgen. Die Eltern verweigern sich dem staatlichen System und wir wissen de facto nicht, ob die Kinder ordentlich unterrichtet werden“, erklärt Tirols Bildungsdirektor Paul Gappmaier, „möglich, dass einige von ihnen bereits zwei oder drei Jahre verloren haben.“
Anzeigen und Strafen beeindrucken kaum
Die Behörden haben Druckmittel, doch der harte Kern gibt nicht nach. Gappmaier bestätigt, dass im Raum Kufstein und im Ötztal illegale Privatschulen angezeigt wurden. Die BHs sind aktiv. Einige Eltern haben zudem bereits dutzende Anzeigen wegen Schulpflichtverletzung erhalten. Strafrahmen: jeweils bis zu 440 €. Auch die Jugendwohlfahrt ist eingeschaltet. „Wegen Gefährdung des Kindeswohls“, erläutert der Bildungsdirektor.
Geholfen hat bisher nichts. Viele der betroffenen Eltern sind das, was man Staatsverweigerer nennt. Sie reagieren nicht auf Strafen, Anordnungen, Bescheide. Andere haben Höchstgerichte angerufen. „Aber alle Beschwerden wurden abgewiesen“, weiß Gappmaier.
Was niemand weiß: Wie weit sind die Eltern bereit zu gehen, um sich gegen den Staat zu stellen. Gappmaier hofft auf ein Einlenken: „Es ist ja nicht unser Ziel, Eltern zu bestrafen, sondern Kindern Bildungschancen zu sichern.“
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