Ex-Altacher bei Pogoń

Wieso bist Du in Polen „Professor“, Benedikt Zech?

Fußball International
06.05.2022 05:40

Aus dem gebirgigen Ländle ins flache Szczecin, aus der Bundesliga in die Ekstraklasa, vom „Dorf-Klub“ zum Großstadt-Team - und nun bald zum Triumph in der Liga? Benedikt Zech könnte es tatsächlich schaffen, mittendrin statt nur dabei zu sein, wenn Pogoń Szczecin erstmals in der langjährigen Klub-Geschichte die Meister-Trophäe erringt. Kurz vor Saisonende lebt die Chance - Grund genug für krone.at, mit dem „Ländle“-Export über sein Legionärsdasein in Polen zu plaudern und eine große Frage zu klären ...

krone.at: Warszawa statt Wien, Gdansk statt Graz oder Lubin statt Linz - vor drei Jahren bist Du aus dem heimatlichen und wohlbekannten Österreich ins fremde und unbekannte Polen zu Pogoń Szczecin gewechselt. Rückblickend betrachtet: Ist das die richtige Entscheidung gewesen?
Benedikt Zech: Ja, ganz bestimmt! Fußballerisch und auch vom Persönlichen her konnte ich mich weiterentwickeln, alles neu angehen. Im Großen und Ganzen habe ich mich sicher gut entschieden.

krone.at: Offenbar bist nicht nur Du dieser Meinung, sondern auch die Verantwortlichen von Pogoń sowie die Fans - von Letzteren bist Du sogar promoviert worden, zum „Professor“ erklärt …
Zech:  (lacht) Das ist, glaub‘ ich, von Canal+, quasi das „Sky“ von Polen, ausgegangen. Die haben mich einmal so genannt und dann ist das hängengeblieben - und jetzt bin ich eben „Der Professor“.

krone.at: Was ist denn nun konkret der Hintergrund für diesen „Professor“-Titel?
Zech: Es zeichnet uns generell aus, dass wir von hinten strukturiert rausspielen und nicht nur hohe Bälle nach vorne schießen. Insofern passe ich da ziemlich gut in das System vom Trainer hinein …

krone.at: Weil du „intelligent“ wie ein „Professor“ spielst?
Zech: Ich glaub‘ schon, dass es mich ein bisschen auszeichnet, das Spiel gut lesen zu können und ein gutes Stellungsspiel zu haben. Ich habe generell in meiner Karriere noch nicht viele Gelbe Karten gesammelt - je weniger man foul spielt, umso ein besserer Verteidiger ist man meiner Meinung nach … (überlegt kurz) … Trotz meines fortgeschrittenen Alters (Anm. 31 Jahre), hab‘ ich immer noch eine sehr stabile Grundschnelligkeit - die Kombination von Stellungsspiel und Schnelligkeit erlaubt es mir dann eben, weniger Fouls begehen zu müssen.

krone.at: Wenn Du nicht gerade verletzt gewesen bist, was von Sommer 2019 bis ins heurige Frühjahr nur selten vorgekommen ist, bist Du eigentlich immer über die volle Spielzeit eingesetzt worden. Man übertreibt nicht, wenn man Dich als Stamm- und Führungsspieler bezeichnet, oder?
Zech: Ja! Ich wurde dieses Jahr auch zum Co-Kapitän ernannt und ich versuche, meine Erfahrung den Jungs weiterzugeben, ihnen eine gewisse Stabilität zu geben - damit sie generell ein besseres Gefühl haben, dass sie keine Angst davor haben, dass da hinten etwas passieren könnte ... (überlegt) Das klappt auch gut. Aber man lernt nie aus, man muss trotzdem immer voll bei der Sache sein ...

krone.at: Apropos Verletzung: Vor Kurzem hast Du nach knapp zweimonatiger Zwangspause Dein Comeback gegeben - wie geht‘s Dir? Fit genug für das Finale im Ekstraklasa-Titelkampf?
Zech: Leider hat mich eine muskuläre Verletzung ein paar entscheidende Spiele gekostet und ich bin dann noch einmal zurückgeworfen worden von derselben Verletzung, als ich schon gedacht hätte, dass alles wieder okay ist. Der Titelkampf ist eng, wir haben zuletzt ein bisschen Federn gelassen, sind jetzt drei Punkte hinter Lech Posen und Raków Częstochowa. Aber es sind noch drei Partien zu gehen - und aufgegeben wird nicht! Schauen wir, was am Schluss rausspringt ...

krone.at: 11., 7., 6. und zuletzt 3. - was spricht dafür, dass der für Pogoń positive Trend der vergangenen Jahre weitergeht, vielleicht sogar bis auf Platz 1? Wer drei Runden vor Saisonende knapp hinter der Spitze liegt, wird wohl mit einem weiteren 3. Platz nicht so zufrieden sein, oder?
Zech: Nein, auf jeden Fall nicht! Wenn man so lange vorne dabei ist, dann erhofft man sich mehr … (überlegt) Was jetzt für uns spricht, ist, dass wir gerade in der Offensive in den vergangenen Jahren mit erfahrenen Spielern stärker geworden sind. Generell spielt unser Stamm jetzt schon länger zusammen, da greifen die Automatismen immer besser und jeder weiß, was der andere tut, was er selber tun muss. Klar, wir haben es nicht mehr selbst in der Hand, aber wenn die anderen noch einmal patzen, dann wollen wir da sein.

krone.at: Obwohl bereits am 21. April 1948 gegründet, hat Pogoń noch keinen einzigen großen Titel eingefahren. Was würde der Meistertitel für Pogoń und generell die ganze Stadt bedeuten?
Zech: Enorm viel! Die ganze Stadt und die Fans warten schon ewig darauf, dass endlich einmal eine Sieges-Trophäe in die Vitrine kommt. Man weiß schon, dass Pogoń bis vor einigen Jahren immer in den unteren Tabellenregionen gewesen ist - aber der Verein hat sich eben extrem positiv entwickelt, es hat einen großen Umbruch gegeben, inklusive das neue Stadion. Die Erwartungshaltung im Verein und von der ganzen Stadt ist inzwischen eine ganz andere, man erwartet sich, dass man die Europacup-Plätze erreicht.

krone.at: Generell: Nach bald drei vollen Jahren in Polen sowie zuvor fünf Saisonen in Österreichs Beletage kannst Du zweifellos ein fundiertes Urteil abgeben - was sind die größten Unterschiede zwischen dem Fußball in der Ekstraklasa und jenem in der Bundesliga?
Zech: Zunächst einmal ist es eine größere Liga, man hat auch gerade gegen die Großen nur zweimal die Chance, zu gewinnen. Was wir hier auf jeden Fall nicht haben, ist eine derart starke Mannschaft wie es sie in Österreich mit Red Bull Salzburg gibt ... (überlegt kurz) Aber ich würde sagen, die Top-3 der Ekstraklasa sind mit den Verfolgern der Salzburger auf Augenhöhe. Generell ist die Liga hier in Polen ein bisschen verrückter, weil jeder gegen jeden gewinnen kann - da sieht man jedes Wochenende verrückte Ergebnisse. Du kannst gegen niemanden fix einen Sieg einplanen.

krone.at: Und von der Art des Fußballs her?
Zech: Man hat hier mehrere Mannschaften, die alle irgendwie ihren eigenen Spielstil haben. Dass jetzt alle miteinander Pressing wie Salzburg spielen würden, kann man nicht sagen. Auf jeden Fall wird allerdings härter gespielt und spielerisch wird das individuelle Niveau auch durch viele gute ausländische Kicker etwa aus Spanien oder Portugal noch einmal auf ein anderes Level gehoben.

krone.at: Und bei den Fans? Polnische Fans stehen ja durchaus im Ruf, sehr „emotional“ zu sein ...
Zech: (lacht) Ich glaub‘, dass die polnischen Fans insgesamt gut mit den Rapid-Fans zu vergleichen sind - gerade die von den größeren Klubs sind sehr fanatisch, sehr verrückt. Hier in Polen sind die Stadien zum Teil deutlich größer und es finden sich auch mehr Fans hinter den Toren, was in Österreich eher abgeht. Bis auf Klubs wie Rapid und Sturm oder teilweise auch bei der Austria.

krone.at: Seit Du hier bei Szczecin engagiert bist, ist Dein „Arbeitsplatz“ eine Baustelle - ein Vorteil ist es wohl kaum gewesen, wenn nur ein oder zwei Tribünen geöffnet worden sind, oder?
Zech: Man spielt nie gerne in einer Baustelle, aber ich glaub‘, unsere Heimresultate sind jetzt nicht so schlecht gewesen, dass man von einem Nachteil sprechen kann. Natürlich hoffen wir, dass das Stadion so schnell wie möglich fertig wird und richtig gescheit gefüllt werden kann … (lacht) … Inzwischen schaut‘s eh schon ziemlich fertig aus - nicht mehr so wie in meinem ersten Jahr, dass sich auf der linken Seite ein Erdhügel auftürmt und man nicht weiß, wo genau man eigentlich ist …

krone.at: Ein Vertrag bis 2025 bei Pogoń bedeutet auch, dass Dein Ex-Klub noch ein Zeiterl auf Deine Heimkehr warten muss. Wie sehr verfolgst Du das Geschehen beim SCR Altach?
Zech: Generell auf jeden Fall sehr! Ich versuche die österreichische Liga zu verfolgen, wann immer ich Zeit habe - und natürlich schaue ich ein bisschen intensiver auf Altach. Ich leide schon mit, weil man doch noch den ein oder anderen Kollegen dort hat, mit dem man sehr gut befreundet ist. Im Frühjahr sind sie gut hineingestartet, haben eine gute Form gezeigt, sind lange ungeschlagen geblieben - ja, da bin ich guter Dinge gewesen, dass sie das schaffen ...

krone.at: Apropos Heimat: Geboren bist Du im kleinen Dorf Ludesch am Eingang zum Großen Walsertal in Vorarlberg, eingebettet zwischen steil aufragenden Bergen mit 2000 Metern und mehr - und jetzt bist Du in Szczecin, einer Großstadt in West-Polen, auf Meeresniveau und ohne auch nur ansatzweise bergähnliche Erhebung daheim. Hat es da gar keinen „Kulturschock“ gegeben?
Zech: „Kulturschock“ würde ich es jetzt nicht nennen, aber ja, die Berge vermisse ich schon - wenn ich jetzt zwischendurch wieder einmal heimkomme, schätze ich das Ganze gleich ein bisschen mehr. Hier in Szczecin ist es, wie Du richtig gesagt hast, flach - aber ich hab‘ mich gut eingelebt und ich fühle mich sehr wohl hier mit meiner Familie, die Stadt gibt uns alles, was wir brauchen.

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(Bild: KMM)



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