Hilfe am Weerberg

Nach Flammeninferno: „Im Dorf ist niemand allein“

Tirol
03.04.2021 10:00

Keller, Garage und der Hühnerstall - das ist alles, was der Familie Knapp vom Weerberger Hof „Riedhäusl“ in Tirol nach einem Großfeuer im Februar blieb. Der größte Lichtblick: Im schlimmsten Fall hält ein ganzes Dorf zusammen.

Zehn Jahre bauten der gelernte Tischler Augustin „Gustl“ Knapp und seine Eltern auf 1200 Metern Seehöhe an der Zukunft der Familie, fast jede Tür und jedes Möbelstück stammt aus der eigenen Werkstatt. Ehefrau Barbara ist Schneiderin und eine Meisterin ihres Faches. Etliche Kostbarkeiten bis zur handgenähten Tracht werden in jener verhängnisvollen Nacht auf den 11. Februar vernichtet. Es ist Unsinniger Donnerstag, das Schicksal hat manchmal einen grausamen Sinn für Humor ...

Hab und Gut fast vollständig verbrannt
Geblieben sind die wichtigsten Dokumente und nur einige andere verrußte Habseligkeiten, etwa die Familienfotos im versengten Laptop. „Während es brennt, kommt man nicht zum Denken“, erzählt das Paar. Erst als die vierköpfige Familie am Abend der Katastrophe im Haus von Gustls Schwester erschöpft in die Betten fällt, wird klar: Die eigene Existenz ist vernichtet.

Eigenartiges Knacken und es stank komisch
Es ist kurz nach 4 Uhr, eine eisige Nacht mit minus zwölf Grad, als Barbara ein eigenartiges Knacken hört – „und es stank komisch“. Sie kontrollierte in der Küche, doch der Herd ist aus. Wieder dieses Geräusch, also geht Gustl hinaus auf den Balkon. „Da hat durch ein Gitter schon das Feuer aus der Tenne geleuchtet!“ Ungewöhnlich ruhig sei man in diesen Minuten gewesen, erinnert sich das Paar. Kinder anziehen, Pässe holen – und die betagten Eltern bzw. Schwiegereltern (81 und 88 Jahre) im darunter liegenden Stock alarmieren.

88-Jährigen aus Pflegebett geholt
Den 88-Jährigen hievt man aus dem Pflegebett, im Rollstuhl hinaus in die Kälte und vorerst in den Hühnerstall. Die beiden Senioren kommen später bei einer anderen Schwester von Gustl unter. Er selbst kämpft sich nochmals zurück ins Haus, holt Handy und Geldtasche, doch die Fensterscheiben bersten bereits – nichts wie weg! Die Feuerwehr tut ihr Bestes, aber die Schläuche frieren teilweise ein. Als es Tag wird, ist der Hof eine Ruine. Kühe hatte man zum Glück nicht mehr. Die Ursache des Infernos ist bald klar: ein Kurzschluss bei einer alten elektrischen Panzersicherung.

Erste Hilfsangebote noch in der Nacht
„Um 5.30 Uhr an diesem Tag hatte ich das erste Angebot für eine Wohnung, um 6.30 Uhr drei“, erinnert sich Bürgermeister Gerhard Angerer mit Gänsehaut an die unmittelbar darauf einsetzende Hilfsbereitschaft.

Geld gesammelt und Bekleidung gekauft
In den Morgenstunden erfährt auch Ex-Feuerwehrkommandant Otto Kohler vom Drama. „Was können wir tun?“, fragt sich seine Familie. Geld sammeln in der Nachbarschaft, lautet die Idee. Kohlers Tochter arbeitet bei einer Modekette, am Abend taucht man mit 68 Kleidungsstücken bei den Brandopfern auf. Die Buben sind gerührt, sie hätten am folgenden Montag nichts zum Anziehen für die Schule gehabt. „An diesem Tag waren wir der Nikolaus, es war auch für uns eine Riesenfreude“, sagen die Helfer.

Leute aus ganz Tirol rufen bei Gemeinde an
Unterdessen steht beim Bürgermeister das Telefon kaum still. „Leute aus ganz Tirol waren dabei und fragten, welche Sachspenden nun am dringendsten wären.“ Die Lehrerinnen der Kinder sorgen dafür, dass diese nicht ohne Schulbücher und Hefte dastehen. Ein Stoffhund als künftiger Beschützer findet den Weg zu den Buben. Und in einem Brief spendet eine Unterländerin Trost, auch deren Haus ist einst abgebrannt.

Viele packten an
Der Hof selbst ist derzeit bis auf den Keller abgetragen, zunächst war es ein (Schutt-)Berg voller Arbeit. Auch hier funktioniert die Dorfgemeinschaft: Vereine und deren Mitglieder bieten Arbeitsschichten an, die Bäuerinnen sorgen für die Jause. Der Alltag hilft über den Verlust hinweg - „doch am Abend reden die Buben schon noch davon, was sie alles verloren haben“, erzählt Barbara von Valentin (10) und Felix (12). Derzeit fährt man vor allem zum Füttern der Hühner zum Riedhof, doch bald sollen wieder erste Mauern stehen. Es geht aufwärts, auch dank des enormen Zusammenhalts im Ort. „Wir hatten nie das Gefühl, allein zu sein. Danke an alle, die dazu beigetragen haben.“

Spenden: Raika Weerberg, IBAN: AT44 3635 2000 0004 2036.

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