Nach Vorwürfen

Die Grazer Anatomie stellt sich jetzt neu auf

Steiermark
29.11.2020 08:00

Unsere Berichterstattung über die jüngsten Entwicklungen an der Med Uni hat eine Menge Staub aufgewirbelt. Nun beziehen Rektor Hellmut Samonigg und Anatomie-Leiter Niels Hammer im Interview Stellung.

Ob der Entwicklung am Institut für Anatomie herrscht an der Med Uni aktuell ungewohnte Unruhe - Herr Rektor, wie wollen Sie nun die Wogen wieder glätten?
Hellmut Samonigg: Vorweg: Es ist eine Tatsache, dass erst Wochen nach der erforderlichen Kündigung eines Mitarbeiters Vorwürfe über Unregelmäßigkeiten erhoben wurden - und diese zu einer öffentlich wahrnehmbaren Unruhe geführt haben.

Aber wie wollen Sie wieder für Ruhe sorgen?
Hellmut Samonigg: Wir haben regelmäßige Treffen mit ÖH-Vertretern und wollen gemeinsam die aktuellen Herausforderungen in den Griff bekommen. Damit meine ich vor allem: Wie kann man Lehrveranstaltungen, etwa den Sezierkurs, unter Pandemiebedingungen überhaupt abhalten? Professor Hammer ist zudem dabei, das Team nach seinen Wünschen neu auszurichten. Und aktuell sind ja auch die Bauarbeiten für die neue Anatomie, die weiterhin die größte Europas sein wird, im Gange. 2023 geht alles in Betrieb - insgesamt werden da 40 Millionen Euro investiert. Das zeigt hoffentlich, dass Gerüchte, wir wollen alles kaputtsparen, einfach nicht stimmen.

Herr Professor Hammer, der Umbau Ihres Teams erscheint auch notwendig - wenn unsere Informationen stimmen, dass 25 studentische Mitarbeiter und fünf Mitglieder des ehemals neunköpfigen wissenschaftlichen Anatomieteams das Institut verlassen haben...
Niels Hammer: Wir haben - und das ist ein normaler Prozess - natürlich geschaut, wen wir weiter beschäftigen wollen. Und da ist von insgesamt 43 Tutoren genau eine Handvoll nicht mehr weiterbestellt worden. Die anderen haben von sich aus eine Veränderung angestrebt - die Anzahl unterscheidet sich aber nicht von jener in den vergangenen Jahren.

Und die fünf wissenschaftlichen Mitarbeiter, die das Institut verlassen haben?
Niels Hammer: Fakt ist, dass ein ärztlicher Kollege das Institut verlassen hat. Ein Kollege wurde bekanntlich gekündigt. Eine wissenschaftliche Mitarbeiterin wird uns in Kürze verlassen und ein Weiterbildungsassistent hat sich kurz vor Auslaufen seines Vertrages verändert. Dazu hatten wir Anfang des Jahres einen Kollegen, der unerwartet verstorben ist. Dem gegenüber stehen aber ärztliche Mitarbeiter, die wir zusätzlich gewinnen konnten, und auch eine erfahrene Anatomin aus Heidelberg. Und wie der Rektor angesprochen hat: Wir sind gerade dabei, unser Team weiter auszubauen.

Liegt dieser „Ausbau“ auch daran, dass aktuell neben Ihnen eben nur eine Fachärztin für Anatomie am Institut tätig ist?
Niels Hammer: Ja, das wird sich in Kürze ändern. Weitere Aufstockungen stehen bevor. Und eines möchte ich festhalten: Wir halten unseren aktuellen Sezierkurs mit 13 Mitarbeitern ab. Davon sind neun Ärzte - das hatten wir in Graz in den letzten Jahrzehnten nie.

Hellmut Samonigg: Am Institut herrschte vor dem Eintritt von Professor Hammer Personalmangel, nie sind renommierte Wissenschafter nach Graz gekommen. Jetzt haben wir von renommierten deutschsprachigen Institutionen zwei Leute, die unbedingt nach Graz wollen. Das kommt ja nicht von ungefähr.

Den Stein ins Rollen haben ja Vorwürfe über angeblich fehlerhafte Online-Vorlesungen gebracht. Stichwort Fehlerliste - wurde diese mittlerweile korrigiert oder nicht?
Hellmut Samonigg: Ja natürlich, sie wurde sofort korrigiert. Das hat Professor Hammer ja gleich über Nacht gemacht! Außerdem: Das Wort „Fehler“ ist leicht ausgesprochen. In jeder wissenschaftlichen Präsentation gibt es Interpretationsspielräume. Und die gibt es eben auch in der Anatomie, obwohl alles so klar erscheint. Warum das jetzt so massiv aufpoppt, hat mit dem Distance Learning zu tun. Diese Probleme hat man aktuell auf allen Unis der Welt. Diese Unmittelbarkeit - dass ich in einer Diskussion reagieren und erklären kann - fällt derzeit weg. Weil Vorlesungen aktuell „Konserven“ sind, die heruntergeladen werden.

Sie haben von Interpretationsspielraum gesprochen. Wie groß ist der, wenn man Blutgefäße von Menschen und Tieren verwechselt?
Hellmut Samonigg: Wenn echte Fehler passiert sind, sind die natürlich zu korrigieren. Das Theater mit der Ziege und so weiter. Ja das ist passiert und wurde auch korrigiert. Aber das war eben auch der Geschwindigkeit geschuldet, in der wir aufgrund einer Pandemie unser gesamtes Lehrsystem quasi neu aufsetzen mussten. Ich will das keinesfalls bagatellisieren, niemand macht gerne Fehler. Aber das jetzt so hinzustellen, dass das aktuell nur in Graz ein Thema und sogar noch gefährdend für die Studierenden ist, das ist einfach nur absurd.

Können Sie künftig weitere „Unstimmigkeiten“ - bezeichnen wir sie mal so - in der Online-Lehre ausschließen?
Niels Hammer: Natürlich tun wir unser Bestes; wir haben ja auch das Vier-Augen-Prinzip eingeführt. Wie gesagt, gibt es immer einen Interpretationsspielraum in der Lehre. Wenn man es böse meint, kann man Abweichungen eben auch als Fehler sehen.

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