Corona-Experte:

„Wir müssen den Weg zurück zur Normalität finden“

Steiermark
08.10.2020 06:00

Klaus Vander, Corona-Experte und ärztlicher Leiter des Instituts für Krankenhaushygiene der KAGes, im Interview mit der „Krone“. Der Grazer verrät dabei, weshalb er eine frühere Sperrstunde in der Gastronomie eher skeptisch sieht und wie er die aktuelle Lage im „Virus-Marathon“ generell einschätzt.

Herr Primarius, in der Steiermark haben wir wieder über 500 Corona-Infizierte. Wie kritisch ist diese Entwicklung?
Der Anstieg an Infektionen in den letzten Wochen war zu erwarten. Das Interessante ist, dass es jetzt eine zunehmende Häufung in den jüngeren Altersbereichen gibt. Und da muss man eben unterscheiden, dass die Jungen signifikant häufig einen asymptomatischen bis milden Krankheitsverlauf aufweisen. Einen weiteren Trend, den wir feststellen konnten: Üblicherweise steigen parallel zu den Infektionszahlen auch die Sterbezahlen. Nun sehen wir da erstmals ein deutliches Abfallen der Sterbezahlen. Auch bei den Hochrisikogruppen, insbesondere bei den über 80-Jährigen, haben wir fast eine Drittelung der Letalität.

Das klingt ja fast nach guten Neuigkeiten
Prinzipiell schon. Aber dennoch sollte weiter alles getan werden, um die Infektionszahlen auf einem moderaten Level zu halten. Hier gilt es vor allem die Risikobereiche im Auge zu haben, wie etwa Gesundheitseinrichtungen oder auch Pflegeheime - aber ebenso Bereiche, wo ich mit einer starken Nähe verbunden bin. Also das Maskentragen im öffentlichen Verkehr macht zum Beispiel natürlich Sinn. Was aus meiner Sicht fehlt, ist ein stärkeres Maß an Eigenverantwortung in der Bevölkerung. Jeder ist durch sein Verhalten auch für den anderen verantwortlich.

Würden Sie auch eine Einführung der Maskenpflicht im Freien für sinnvoll erachten?
Nein, das ist überhaupt nicht sinnvoll. Das ist einzig eine Suggestion, etwas vorzutäuschen, was es nicht gibt. Die Übertragungswahrscheinlichkeit in der frischen Luft tendiert aufgrund des Verdünnungseffekts gegen null. Maskentragen im Freien macht für mich keinen Sinn.

Wie sehen Sie die Diskussion über die Vorverlegung der Sperrstunde in der steirischen Gastronomie?
Wir alle wissen, dass ein Teil der Bevölkerung ein großes Bedürfnis nach abendlicher Freizeitgestaltung hat. Wenn ich die offiziellen Einrichtungen reduziere, werde ich diesen Bedarf auf Dauer nicht befriedigen können. Wir reden hier ja von einem Marathon. Wenn man jetzt apodiktisch die Sperrstunde vorverlegt, werden halt Underground-Feiern stattfinden, die nicht mehr unter Kontrolle sind. Deshalb halte ich eine Gastronomie unter kontrollierten Rahmenbedingungen für die bessere Maßnahme.

Sie haben gerade von einem Marathon gesprochen - wird denn Corona nie vorbei sein?
Nein - und das ist ein wesentlicher Punkt. Das Virus ist gekommen, um zu bleiben. Es wird sich eingliedern in diese Vielfalt an Viren, die immer wieder zu den Infekten der Atemwege führen. Wir müssen lernen, damit umzugehen. Darum ist es jetzt so wichtig, die Weichen in die Richtung zu stellen, dass wir auch langfristig damit leben können.

Wird die Impfung die große Erlösung sein?
Ich glaube nicht, dass man zu große Hoffnung in die Impfung setzen darf - es lässt sich ja auch fast niemand gegen Influenza impfen. Und eines wird unter dem allgemeinen Fokus auf Corona immer gerne vergessen - die Grippe kostet allein in Österreich zwischen 700 und 1600 Menschen jährlich das Leben, bei Corona sind wir heute bei 840 Todesopfern. Die Grippetoten werden aber nie in dem Maß von der Öffentlichkeit wahrgenommen.

Erleben wir dann gerade eine weltweite Panikmache?
Es ist zu einfach jetzt zu sagen, das hätte ich vor Monaten anders gemacht. Wir hatten am Anfang einfach keine Kenntnis über das Virus - da waren viele Maßnahmen durchaus indiziert. Jetzt wissen wir aber, wie es funktioniert. Und da wir aus wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Sicht nicht die nächsten zehn Jahre in einem Ausnahmezustand leben können, müssen wir langsam einen Weg suchen, um wieder Normalität in unseren Alltag zu bekommen - mit dem besonderen Fokus auf die angesprochenen Risikobereiche.

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