Abschied aus Graz

Oksana Lyniv: „Meine Bühne ist die ganze Welt“

Steiermark
24.06.2020 08:00

Nach drei Jahren als Chefdirigentin in Graz macht Oksana Lyniv sich auf, die Welt der Klassik zu erobern: Bayerische Staatsoper, Oper Frankfurt und Theater an der Wien zählen zu ihren nächsten Stationen. Doch davor nimmt sie mit drei Konzerten Abschied und blickt im „Krone“-Interview mit Liebe und Dankbarkeit auf die Zeit hier zurück.

Was waren Ihre ersten Eindrücke von Graz?
Ich habe mich sehr gefreut, hier zwei Vorstellungen „La Traviata“ zu dirigieren - ohne eine große Orchesterprobe ging es gleich vor Publikum. Es war toll zu spüren, wie aufmerksam und konzentriert die Musiker waren und wie wir uns gleich verstanden haben. Als dann das Angebot kam, bin ich gerne hierher gekommen.

Als Frau in Ihrem Beruf sind Sie immer noch oft „die erste“ - gleichzeitig sind sie in eine Stadt gekommen, in der größere Häuser schon länger von Frauen geleitet werden. Wie ging es Ihnen damit?
In Graz habe ich nie gespürt, dass ich als Frau mehr Schwierigkeiten habe. Aber wir sind schon noch in einer Aufklärungszeit, wo wir uns noch von vielen alten Mustern verabschieden müssen. Auf internationalem Niveau hat sich in den vergangenen fünf Jahren viel getan, und wir werden immer mehr Dirigentinnen, was gut ist, weil das Gefühl immer Quotenfrau zu sein, ist nicht schön!

Auf welche Produktionen Ihrer Zeit werden Sie besonders gerne zurückblicken?
Ich glaube, meine Lieblingsproduktion ist die „Salome“ aus dem letzten Jahr - alleine schon die Umstände, dass Strauß selbst hier in diesem Haus die Uraufführung dirigiert hat. Und wie diese Partitur mich und das Orchester und auch das Publikum von der ersten bis zur letzten Note elektrisiert hat, das war schon besonders. Und ich habe mich auch sehr gefreut, wie positiv die CD-Einspielung von „Cavalleria Rusticana/Pagliacci“ aufgenommen wurde.

Wenn Sie in 40 Jahren am Ende einer großen Karriere zurückblicken, welchen Stellenwert wird die Zeit in Graz einnehmen?
Das werde ich erst später wissen (lacht). Aber Graz ist meine erste Chefstelle, ich habe hier tolle Chancen bekommen, und ich konnte 2017 nicht einschätzen, wie schnell das gehen wird, dass ich auch international so viele tolle Angebote bekommen werde. Aber wenn man die Karrieren von meinen Vorgängern anschaut, kann man nur sagen: Graz ist ein wichtiges Sprungbrett, weil es ein tolles Haus ist, das einem tolle Möglichkeiten bietet. Ich werde an die Grazer Zeit mit Liebe, Freude und Dankbarkeit zurückdenken.

Wie kam es zur Entscheidung, den Vertrag in Graz nicht zu verlängern?
Ich habe mich in der Oper hier und mit den Musikern des Orchesters zu Hause gefühlt. Aber ich habe auch gemerkt, dass mir Graz für den Punkt an meiner Karriere, an dem ich mich gerade befinde, längerfristig ein bisschen zu gemütlich ist. Ich bin ein neugieriger Mensch, und meine Bühne ist die ganze Welt. Es spornt mich an, mich neuen Herausforderungen zu stellen, und ich darf an der Bayrischen Staatsoper, der Oper Frankfurt und dem Theater an der Wien arbeiten

Wird man Sie trotzdem noch in Graz sehen können?
Ich bin in gutem Austausch mit Michael Nemeth vom Musikverein, und wir planen spannende Projekte für jede Spielzeit.

Ihre große Abschiedsproduktion „Die Passagierin“ fiel ja leider Corona zum Opfer.
Ja, wir hatten bereits eine Generalprobe, aber die Premiere musste abgesagt werden. Die Oper wird in der kommenden Saison zu sehen sein, aber mein Nachfolger wird das Projekt übernehmen. Ich freu mich aber, dass ich an zwei Abenden auch meine Version des Werks hier im Haus dirigieren kann.

Auch die Abschiedskonzerte stehen im Zeichen von Corona und müssen vor geringem Publikum stattfinden. Wie gehen Sie damit um?
Ein Künstler kann nur auf der Bühne beweisen, wozu sein Leben bestimmt ist. Und die Zeit von Corona hat uns bewiesen, wie fragil auch so ein Koloss wie 500 Jahre Musikgeschichte sein kann. Von einem Tag auf den anderen war das Konzertleben verstummt. Und auch jetzt ist es so, dass ich zwar in einem vollgepackten Flugzeug nach Österreich fliegen darf, aber die Konzertsäle müssen bei Aufführungen fast leer bleiben. Das ist absurd, aber gerade deshalb ist es jetzt wichtig, jede Chance zu nutzen, die unbändige Wirkung des lebendigen Klangs zu zelebrieren. Wir müssen jetzt mehr denn je beweisen, dass wir Kunst zum Überleben brauchen.

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