Nach „Gemetzel“

Wild im Visier: Was bringt die Gatterjagd?

Tirol
15.02.2020 06:01

Im Tiroler Dorf Kaisers kam es zu einem gezielten Abschuss von 33 Stück Rotwild. Das Entsetzen und der Aufschrei waren enorm. Nun stellt sich die Frage: Ist Jagd in Wildgehegen generell zu verurteilen?

Die „Gatterjagd“ sorgt für rhetorischen Schusswechsel. Auslöser sind die Bilder aus dem Tiroler Dorf Kaisers. „Grausamer und barbarischer Brauch“, sagen die einen, „nötiger Eingriff“ die anderen. Nüchtern betrachtet, handelt es sich dabei um eine Jagd in einem Wildgehege. In Österreich existieren noch etwa 80 aktiv betriebene Jagdgatter, und zwar in Niederösterreich und in Salzburg (in diesen Bundesländern ist diese Variante noch erlaubt). Es gibt aber Unterschiede - und eine Tradition.

An der die Habsburger nicht unbeteiligt sind, sagt selbst ein Habsburger. Ulrich Habsburg-Lothringen, Waidmann, Forst- und Landwirt in Kärnten, hält fest: „Schon unter Kaiser Maximilian wurden Tiere in Gehegen zusammengetrieben, um sie zu erlegen.“ Der „letzte Ritter“ (gestorben 1519) war quasi Pionier der Gatterjagd. Doch was ist heute das Problem?

„Das war eine reine Tötungsaktion“
Martin Balluch, Österreichs streitlustigster Tierschützer, sagt: „Die Tiere werden in den Tod gehetzt und verenden letztlich an den Zäunen. Das ist Wahnsinn.“ Wildbiologin Christine Miller kritisiert: „Was in Tirol passiert ist, ist ein No-Go. Das war eine reine Tötungsaktion. Man hat gesagt, da könnte ein Seuchenproblem sein, also einfach weg mit den Tieren. Ohne Untersuchung. In anderen Ländern geht man anders damit um.“ Dennoch differenziert Miller: „Es gibt verschiedene Gatter, wie die Wintergatter. Es ist ein Unterschied, ob Tiere zusammengetrieben werden, um getötet zu werden, oder ob sie im natürlichen Umfeld leben.“

Balluch: „Das gehört alles verboten“
Ähnlich sieht das Max Mayr-Melnhof, Salzburgs Landesjägermeister, der selbst ein Wildgehege betreibt. Die gesamte Jägerschaft Österreichs, sagt er, lehne diese „Keulungsgatter“ (wie er sie nennt) oder „Tötungsgatter“ strikt ab, ebenso wie das Sammeln von Trophäen. „Wir schöpfen nur ab, was aus der Natur zuwächst.“ Für Tierschützer Balluch einerlei: „Das gehört alles verboten. Da werden Wildtiere zusammengetrieben, damit Reiche, Adelige und Großindustrielle sie abballern.“ Österreich habe die höchste Population an Rehen und Hirschen weltweit. „Die Tiere werden so sehr gefüttert, dass sie mehr Nachwuchs produzieren. Das heißt - Anfüttern für mehr Abschüsse“, so Balluch.

Die Jägerschaft sieht das anders. Auch Ulrich Habsburg-Lothringen, der ebenfalls die „Tötungsgatter“ ablehnt. Man müsse aber für ein Gleichgewicht sorgen, sagt er und stimmt Mayr-Melnhof zu.

Thronfolger Franz Ferdinand als Rekord-Jäger
Übrigens: Österreichs letzter großer Kaiser, Franz Joseph, war auch ein großer Jäger vor dem Herrn. 55.000 Stück Wild hat erlegt, zuletzt, weil auch schon betagt, auf eher unsportlichem Weg. Vorbeigetriebenes Vieh. Jeder Schuss ein Treffer. Den Rekord hält aber sein durch ein folgenschweres Schussattentat 1914 verhinderter Thronfolger. Franz Ferdinand soll rund 280.000 Tiere getötet haben - auch im Ausland, unter anderem Delfine und Elefanten.

Kommentar von Maggie Entenfellner: Geruch des Blutes
Das Jagen war eine der ersten Tätigkeiten, die wir Menschen vor Tausenden von Jahren erlernt haben. Wir mussten Tiere erlegen, um selbst zu überleben. Das Wild hatte stets eine faire Chance. Bei der Massentötung, wie sie vor wenigen Tagen in Tirol stattgefunden hat, ist davon keine Rede. Ein brutales, widerliches Abschlachten war das. Ein blutiges Massaker, das so nicht toleriert werden kann. Es war auch nicht das erste Mal, dass man ganze Wildbestände auf diese Art ausgelöscht hat. Dieses Blutbad mitzuerleben, dazu muss man hartgesotten sein. Das hält man emotional nicht so schnell aus. Eingesperrt in ein kleines Gatter, ohne die Chance, sich zu verstecken oder zu fliehen, das laute Krachen der Gewehre zu hören, umgeben vom Geruch des Blutes der Artgenossen - schlimmer kann der Tod kaum kommen.

Die Jagd baut auf Traditionen und Brauchtum. Sie spricht nicht von Barbarei und Gräueltaten. Deshalb wird kein gewissenhafter Heger und Pfleger sein Wild mit Hundemeuten und unzähligen Menschen in Panik versetzen, durch das Revier jagen - bis es erschöpft zusammenbricht. Ein ehrenhafter Jäger wird darauf achten, dass seine Bestände über das Jahr durch gewissenhafte Abschüsse reguliert werden, sodass es erst gar nicht zu Massentötungen kommen muss. Aber es gibt sie - die schwarzen Schafe in ihren grünen Röcken, die agieren wie einst die Feudalherren. Die es als Hetz empfinden, mit Freunden und Gleichgesinnten herumzuballern, und sich für jeden gelungenen Schuss zuprosten. Ich bin Tierschützerin, aber kein Feind der Jäger - denn der Wildbestand muss kontrolliert werden. Nur, liebe Waidmänner - achtet darauf, dass eure Kollegen wie Gentlemen und nicht wie die Barbaren agieren.

Erich Vogl und Claudia Thurner, Kronen Zeitung/krone.at

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