Diagonale in Graz:

Eröffnung mit „Murer“

Steiermark
14.03.2018 10:42

Ging es den beiden Intendanten Peter Schernhuber und Sebastian Höglinger in ihren Eröffnungsreden zur Diagonale in der Grazer Helmut List-Halle vorwiegend um den Film und die vielen Schwierigkeiten der heimischen Filmemacher – natürlich gewürzt mit Kritik an aktuellen politischen Entwicklungen, so stand letzteres heuer im Vordergrund. Nicht nur weil dieser Tage des Anschlusses an Hitler-Deutschland vor 80 Jahren gedacht wird, haben sie sich für Christian Froschs Film „Murer“ zur Eröffnung entschieden.

„Wir möchten uns ausdrücklich dagegen verwehren, den Film auf plumpe tagespolitische Analogien zu reduzieren“, betonten beide. „Umso dringlicher ist hingegen die deutliche Kritik an antidemokratischen und antiliberalen Tendenzen, die allerorts immer mehr den Ton angeben.“ Und es gehe ihnen um „die Kritik an den enervierend vielen, nur vermeintlichen ,Einzelfällen‘ und braunen Rülpsern, die uns tagtäglich aus den Medien anspringen und Demokratie- und Menschenfeindlichkeit wieder salonfähig machen.“ Also forderten sie die Politik auf wieder zu einer Politik zurückzukehren mit respektvollen Streitgesprächen, mit einer „Haltung, die jenen aktiv Paroli bietet, die Kommunikation pauschal torpedieren und Eigeninteressen über Meinungsaustausch stellen. Mit einer Haltung, die jenen aktiv Paroli bietet, deren Gesprächsführung ausschließlich ein heuchlerisches, taktierendes und durchschaubares Machtspiel ist“. Dafür gab es viel Beifall im Saal.

Jubel gab es auch für Ingrid Burkhard, die heuer mit dem großen Schauspielpreis ausgezeichnet wurde. Die mittlerweile 86-jährige Schauspielerin hat „Figuren erschaffen, voller Wärme und Starrsinn, manchmal still, manchmal nicht, unbeugsam, gelassen energisch, mit wachsamen Augen, die tadeln und lieben“, begründete die Jury ihre Entscheidung. Als Preis erhielt die nur kurz „schmähstade“ Schauspielerin ein Kunst-Stanizel von Toni Schmale.

Eröffnungsfilm „Murer“
Nicht gerade leichte Filmkost bot die Diagonale dann zur Eröffnung. Christian Froschs Spielfilm „Murer – Anatomie eines Prozesses“ zeigt eine rundum manipulierte Gerichtsverhandlung, bei der 1963 in Graz der hohe Nazi-Funktionär und angeklagte Kriegsverbrecher Franz Murer freigesprochen wurde.

„Schlächter von Vilnius“ haben seine Opfer im jüdischen Ghetto Franz Murer ob seines Sadismus’ und seiner Freude am Töten genannt. 1963 wurde ihm – auf Betreiben von Simon Wiesenthal – der Prozess in Graz gemacht, und trotz zahlreicher Zeugen, trotz einer erdrückenden Beweislast wurde der damalige Lokalpolitiker und ÖVP-Bauernbundvertreter freigesprochen. Was von einem beachtlichen Teil der Bevölkerung nicht als Skandal empfunden, sondern bejubelt wurde. Bis zu seinem Tod lebte Murer angesehen in Gaishorn am See in der Obersteiermark.

Christian Frosch geht es in seinem Film nicht um ein nochmaliges Aufzeigen der schrecklichen NS-Verbrechen an Juden, er interessiert sich vielmehr für die Art und Weise, wie die Österreicher nach dem Krieg mit Fragen der Schuld, der Verantwortung umgegangen sind. Und stellt ihnen – ohne in die Verallgemeinerungsfalle zu tappen – ein nicht gerade gutes Zeugnis aus.

Frosch zeigt diesen Prozess als ein von vorne bis hinten manipuliertes Verfahren, bei dem jeder, ob Ex-Nazi, ÖVP-ler oder SPÖ-Minister, seine Hände im Spiel hat und die Geschichte so hindreht, wie er sie gerade braucht. Er zeigt die vielen Interessen, die hier Einfluss nehmen, um die Gerechtigkeit ad absurdum zu führen – und er zeigt, wie schnell die meisten bereit sind, Opfer zu Schuldigen zu machen, wenn es nur das eigene Vorgehen rechtfertigt.

Mehr als zwei Stunden lang schafft Frosch es gemeinsam mit seinem Team und den beeindruckenden Bildern von Kameramann Frank Amann die Spannung hochzuhalten, und obwohl man weiß, wie die Geschichte endet, hält er die Hoffnung am Leben, dass es doch anders kommen möge.

„Murer“ ist ein düsteres Meisterwerk, das einen aufwühlt und bei dem man sich nur eines wünscht: dass so ein Vorgehen heute nicht mehr möglich ist. Ab Freitag, 16. März, läuft der Film übrigens regulär im Kino.

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